Raphael Alpermann beim Quedlinburger Musiksommer Raphael Alpermann beim Quedlinburger Musiksommer: Täglich gibt es Bach bei ihm

Quedlinburg - Raphael Alpermann betritt die Quedlinburger Stiftskirche und hält einen Moment inne. Er schaut sich um. Die fast tausend Jahre alten Mauern beeindrucken ihn: „Die Romanik hat etwas sehr Kräftiges, sie ist sehr klar.“
Am 17. Juni wird er hier musizieren; vom Cembalo aus dirigiert der 56-Jährige das Eröffnungskonzert des diesjährigen Quedlinburger Musiksommers. Das Ensemble „Concerto +14“ führt das Christus-Oratorium „Von Ende und Anfang“ auf, das Alpermann aus verschiedenen Werken Johann Sebastian Bachs zusammengestellt hat.
„Es gibt kein Werk, in dem Bach die Vita Christi in den Mittelpunkt stellt, wie Händel das mit dem ‚Messias‘ getan hat. Also habe ich geschaut, ob es etwas gibt, das diesen Bogen spannt.“
Als künstlerischer Leiter betreut Alpermann das Jugendbarockorchester
Alpermann beschäftigt sich jeden Tag mit der Musik des Barock-Komponisten, die ihn nicht nur in die großen internationalen Konzerthäuser, sondern auch regelmäßig in den Harz führt.
Im Kloster Michaelstein bei Blankenburg betreut er als künstlerischer Leiter das Jugendbarockorchester „Bachs Erben“. Vor wenigen Tagen hat er dort die Proben zu einem neuen Projekt beendet, das die jungen Musiker jetzt bei einem Festival in Finnland vorstellen.
Alpermann hat selbst als Kind zum ersten Mal die Musik von Bach gehört: „Meine Eltern hatten Platten mit Aufnahmen des Thomanerchors.“ Er sang im Kinderchor mit, sang Bachs Choräle und das Weihnachtsoratorium. Aber Musiker wollte er eigentlich nicht werden.
SED-Parteibuch half nicht, man musste spielen können
Alpermann entstammt einer Pfarrersfamilie aus Potsdam; ihm und seinen vier Geschwistern war deswegen das Abitur verwehrt. „Aber ein Musikstudium war ohne Abitur möglich, und da half auch das Parteibuch nicht - man musste spielen können“, sagt er.
Die Entscheidung für den Beruf sei erst nach dem Studium gefallen: „Ich habe viele beglückende Erfahrungen gemacht, die mich dazu bewogen haben. Musik ist eine Sprache, in der ich mich ausdrücken kann.“
Bei der Interpretation Alter Musik gehört er zu den Besten; der Organist und Cembalist hat mit Dirigenten wie Claudio Abbado und Simon Rattle gearbeitet, hat mehr als 100 CDs eingespielt.
Die Tiefe ist das Besondere an Bachs Stücken
Und was ist nun das Besondere an Bachs Musik? Alpermann überlegt kurz: „Die Tiefe. Es ist keine Unterhaltungsmusik im landläufigen Sinne, diese Musik tritt in Unterhaltung mit einem selbst“, sagt er. „Man wird angesprochen auf einer Ebene, die die wesentlichen Dinge berührt.“
Dass klassische Musik schneller ein Publikum findet als zeitgenössische, erklärt er so: „Man liebt das Vertraute. Musik ist immer auch Ausdruck ihrer Zeit, und die dissonanten Töne sind heute vielleicht ein bisschen stärker. Aber eine Schieflage in der Harmonie war schon immer ein Ausdrucksmittel, das wurde so verstanden und eingesetzt. Von der Ferne klingt es harmonisch, aber wenn man hineinleuchtet, ist viel Dissonanz dabei.“ (mz)