Quedlinburg Quedlinburg: Herzblut im Fachwerk
QUEDLINBURG/MZ. - Der weiße A4-Zettel flattert ein wenig verloren an der abgeblätterten Hauswand im Steinweg 25: "Hurra, für mich ist noch Geld da. Ich kann weiterleben!" steht drauf. Die Initiative "Bürger retten ihr Welterbe" hat das Papier ans Haus gepappt und will damit auf ein Dilemma aufmerksam machen: Die Sanierungsförderung für die Fachwerkstadt Quedlinburg ist in diesem Jahr von 2,8 auf 0,1 Millionen Euro zusammengestrichen worden - ein Tropfen auf dem heißen Stein angesichts der Tatsache, dass von den 1 300 Fachwerkhäusern aus sechs Jahrhunderten 250 ruinös sind. Die wertvollen Häuser zu retten, sei eine nationale Aufgabe.
Für Daniela Gerth und Norbert Buchmann ist das ein zu großes Wort. Im Moment jedenfalls. Denn sie stehen erst einmal vor einer sehr persönlichen Mission - aus dem jahrelang leer stehenden Haus im Steinweg 25 ein bewohnbares Gebäude zu machen: Es auf der einen Seite denkmalgerecht zu sanieren, auf der anderen Seite so auszubauen, dass hier drei großzügige, moderne Wohnungen entstehen.
Für ihr Haus inmitten der Quedlinburger Altstadt sind jetzt 60 000 Euro geflossen - sie ersetzen die Eigenmittel der Stadt und sollen die denkmalgerechte Sanierung des ehemaligen Ackerbürgerhofes unterstützen.
"Ohne die Förderung hätten wir nicht weitermachen können. Der Betrag deckt die Mehrkosten, die entstehen, weil das Haus nun mal ein Denkmal ist", erklärt der junge Bauherr, der gemeinsam mit seiner Frau schon das Nachbarhaus aufwändig und überwiegend in Eigenleistung hergerichtet hat.
Im ersten Stock des nun zweiten großen Projektes hängen die Baupläne an einem der morschen Balken. Es braucht Phantasie, sich vorzustellen, wie das Gebäude einmal aussehen soll. Phantasie, die der schlanke junge Mann ohne Probleme aufbringt. Das Dach kommt runter, der Dachstuhl wird repariert, zuvor muss alles raus, was nicht der Nutzung entspricht und was nachträglich eingebaut ist. Er redet sich in Rage, spricht von Fassadentragwerken und davon, dass es bei diesem Haus einfacher wird als beim Jugendstilgebäude nebenan. "Trotzdem weiß ich, dass viel schief gehen kann. Das muss jeder wissen, der sich sowas über den Hals zieht", meint er.
Ob er denn keine Angst habe vor der Aufgabe und vor allem vor den Summen, die in das Haus fließen werden. Norbert Buchmann, dem man seine 32 Jahre nicht ansieht, scheint verwundert über die Frage. "Angst? Vor kleinen Sachen habe ich manchmal viel mehr Angst. Vorm Zahnarzt zum Beispiel", erklärt er im Brustton der Überzeugung.
Dass man ihm einen Brocken wie diesen nicht zutraut, sind er und seine Freundin schon gewöhnt. Als sie vor sieben Jahren das Haus Steinweg 24 kauften, waren viele skeptisch. Das Ergebnis dürfte die Zweifler verstummen lassen.
Quedlinburgs Bürgermeister Eberhard Brecht ist besonders froh über das Engagement der Familie. "Der Steinweg ist noch ein wenig unser Sorgenkind, und die beiden erfüllen hier eine Art Pionierfunktion", denkt er und hofft, dass die beiden dann fertigen, prägenden Häuser eine Art Signalwirkung auf andere Eigentümer in der Straße haben. "In der Langen Gasse war das jedenfalls so. Manchmal muss nur einer den Anstoß geben."
Ein Anstoß, der für Norbert Buchmann und Daniela Gerth eher einem Kraftakt gleicht. "Ein kleiner Hang zur Verrücktheit gehört schon dazu", sagt die Bankkauffrau, die sich eine Auszeit für die acht Wochen alte Tochter Frieda genommen hat. Natürlich hätten sie Respekt vor der Aufgabe, aber "das ist unsere Art der Selbstverwirklichung, und wir tun nichts Unvernünftiges", meint die Quedlinburgerin. Im Steinweg 25 wollen sie jedoch nicht mehr so viel in Eigenleistung machen, sondern überwiegend Firmen ans Werk lassen. Ihr Lebensgefährte, der als Selbständiger Kulissen für Filmproduktionen baut und aus Meisdorf stammt, ergänzt: "Wir wollten Eigentum schaffen und es anders machen als andere in unserem Alter. Vielleicht wäre es leichter, ein Haus auf der grünen Wiese zu bauen. Aber so ist es schöner."