Puccini-Oper Puccini-Oper : "La Bohème"-Inszenierung im Nordharzer Städtebundtheater

Quedlinburg/MZ - Ein Maler, ein Musiker, ein Poet und ein Philosoph wollen an einem kalten Weihnachtsabend der Tristesse ihrer Pariser Mansardenwohnung entgehen und so richtig einen draufmachen. Die verkrachten Existenzen ziehen ihrem Vermieter im wahrsten Sinne des Wortes das Geld aus der Tasche, und los geht’s - nur der Poet mit journalistischen Ambitionen bleibt daheim, weil er noch zu schreiben hat. Zum Glück, denn so lernt er die Liebe seines Lebens kennen, die in Gestalt der hübschen Nachbarin schon wenig später an das Fenster klopft.
Mit Witz und Ironie steigt Giacomo Puccini in eine seiner größten Opern ein - und Christian Poewe tut es ihm in seiner Inszenierung für das Nordharzer Städtebundtheater gleich. Das Publikum liebt ihn dafür; mit gewohnt leichter Hand - wie schon bei Mozarts „Die Zauberflöte“ oder Humperdincks „Hänsel und Gretel“ - führt der 39-jährige die Zuschauer durch die Geschichte, die große Tragik und komische Momente in sich vereint.
Bei dieser Vorlage könnte es kitschig werden, doch Regie, Ausstattung, Ensemble und Orchester lassen sich darauf nicht ein. Wenn es richtig ans Herz geht - und Puccini drückt ordentlich auf die Tränendrüse - wird es nicht rührselig. Es bleibt spannend.
„Man sagt, Sentimentalität sei ein Zeichen von Schwäche. Aber mir gefällt es sehr, schwach zu sein“, soll Puccini gesagt und, so liest man im Programmheft, seinem Librettisten 1919 schriftlich aufgetragen haben: „Pressen Sie sich Herz und Hirn aus, um für mich etwas zu schaffen, das die Welt weinen machen soll.“
Nun, das ist gelungen, und die Umsetzung am Städtebundtheater transportiert diese Stimmung wunderbar. Die Besetzung scheint gut gewählt; der Südkoreaner Kwonsoo Jeon gibt den zwar zurückhaltenden, aber emotional geladenen Rodolfo und bekommt für seine Arien prompt Szenenapplaus. Ebenso seine Bühnenpartnerin Annabelle Pichler, die die Mimi als eine sterbenskranke, aber um so mehr lebenshungrige junge Frau präsentiert, die weiß, was sie will, weil ihr nicht viel vom Leben bleibt.
Die Harzer Bühne präsentiert das Drama auf Italienisch. Wer sich mit einem Hörgenuss und Puccinis emotional groß angelegten Gesten nicht begnügen, sondern wissen will, worum es konkret geht, dem helfen dezent eingeblendete deutsche Übertitel auf die Sprünge.
Auch das Bühnenbild spricht in der stimmigen Inszenierung für sich; Wiebke Horn wechselt mit wenigen Bildern zwischen Elend und großer Freude. So agieren die gut aufgelegten Runette Botha (Musetta), Ingo Wasikowski (Schaunard), Juha Koskela (Marcello) und Gijs Nijkamp (Colline) mal in der grauen Mansarde, dann wieder im überbordenden Trubel des Quartier Latin und jubeln, säuseln, lachen, schmachten und zetern aufs Feinste.
Immer wieder Szenenapplaus und der in der Pause oft gehörte Kommentar „Schöne Stimmen!“ sind der Dank des Publikums, dessen Nerv Poewe und sein Team ganz offensichtlich wieder gut getroffen haben. Zu verdanken ist dies in gleichem Maße Musikdirektor Johannes Rieger und dem Orchester des Nordharzer Städtebundtheaters, die den Sängern einen wunderbaren Teppich aus glanzvoller Musik bereiten.
Gewöhnungsbedürftig sind einzig die Umbau-Geräusche nach dem dritten Akt, wenn mit Akkuschraubern hinter schwarzem Vorhang letzte Hand angelegt wird. Das Publikum nahm’s mit Humor.
Nächste Vorstellung am 17. November um 15 Uhr im Großen Haus Quedlinburg, Karten unter 03946/96?2222