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Premiere in Halberstadt Premiere in Halberstadt: Dornröschen-Oper mit Fischstäbchen und Cola

Von Uwe Kraus 01.12.2014, 19:24
Schluss mit Party: In Dornröschens Schloss schlafen alle, die böse Fee triumphiert.
Schluss mit Party: In Dornröschens Schloss schlafen alle, die böse Fee triumphiert. Städtebundtheater/Meusel Lizenz

Halberstadt - „Die Arbeit am Text gleicht dem Vorgehen mit einer Machete gegen eine Dornenhecke, die ziemlich dicht ist“, so hatte Intendant Johannes Rieger die von Regisseur Philip Jenkins verantwortete „Opern-Ausgrabung“ am Nordharzer Städtebundtheater charakterisiert. Schließlich ließen die Autorinnen das Grimmsche Märchen bis in galaktische Sphären ziemlich ausufern.

Einen sicheren Schnitt kann man den Halberstädtern bescheinigen, wenn man die Premiere von „Dornröschen“ erlebt. Jenkins tat gut daran, eine eigene, teilweise recht heutige, von Pathos und Langatmigkeit befreite Textfassung zu schaffen, in der Fischstäbchen genauso vorkommen wie Cola und „Die Prinzen“.

„Mit allerhand Musik“

Der Komponist Engelbert Humperdinck nannte seine Schöpfung bescheiden ein „Ausstattungsstück mit allerhand Musik“. So erwartet den Zuschauer kein durchkomponiertes Musikdrama. Die Musikwelt streitet sich, ob es eine „richtige“ Oper oder eine Schauspielmusik mit kurzen Musiknummern ist.

In Halberstadt erleben ältere wie kindliche Zuschauer ein buntes Einstiegsstück in die Opernwelt. Musikalisch kein Leichtgewicht, denn Wagners Vorbild lässt grüßen. Vom Hornklang des Vorspiels bis zu den warm-kuschligen Streichern, Johannes Rieger schreitet sorgfältig dirigierend mit seinem Klangkörper die raffiniert instrumentierte Partitur aus.

Die Märchenoper gleicht einer Heldenreise für den Prinzen, bis er Dornröschen wachküssen darf. Der Schauspieler Jeremias Koschorz steigt in die moderne Robe des in das Foto von Röschen Verliebten und findet als ansehnlicher Adliger auch seinen Weg, um die sängerischen Passagen zu meistern, während die auf einem Ölbild Angebetete seit 100 Jahren minus drei Tagen schlummert. So geht er in der knapp bemessenen Rettungszeit auf eine Reise zu den Sternen und in die quecksilbrige Unterwelt.

Humperdincks „Dornröschen“ haftet der Ruf an, ein Stiefkind der Bühnen zu sein. Jenkins und Rieger behandeln gemeinsam mit ihrer Ausstatterin Wiebke Horn das Werk keineswegs stiefmütterlich, sondern schaffen eine, gerade in den Kostümen und der großen Besetzung mit Extrachor und Kinderstatisterie, opulente Inszenierung. Nina Schubert als Dornröschen sticht sich am 15. Geburtstag hoch oben über dem eher schlichten Bühnen-Palastsaal an einer Spindel, die ihr die böse Fee reicht. So muss das Publikum pausenbedingt erst einmal auf Röschens zu Herzen gehenden Gesang verzichten.

„Dornröschen“ wurde Engelbert Humperdinck 1902, während der Arbeit an der Urfassung der „Königskinder“, als ein ihn nicht besonders überzeugendes Libretto der Autorinnen Elisabeth Ebeling und Bertha Lehmann-Filhés angeboten. Als Humperdinck aus beruflichen Gründen die Wannsee-Villa von Ebeling bezog, sah er sich zur Vertonung verpflichtet. 1902 fand dann die Uraufführung in Frankfurt statt. Die Kritik zeigte den Daumen eher nach unten.

„Tonbilder aus Dornröschen“, eine 1902 in Krefeld uraufgeführte fünfsätzige Suite, gilt vielfach als das optimale musikalische Derivat dieses Märchenspiels. (uk)

Fast das gesamte Opern-Ensemble darf in die vielen, teilweise sängerisch nicht immer besonders dankbaren Rollen schlüpfen. Doch mit augenscheinlichem Spielspaß und in wunderschöner Kleidung machen sie aus „Dornröschen“ einen Seh- und Hörspaß.

Im Mittelpunkt steht dabei die Böse. Dämonia, die böse Fee, wirkt Gerlind Schröder auf den Leib geschrieben. Sie funkelt, sie geifert und hext, schmeißt sich in tolle Outfits, um Prinz Reinhold, Enkel des Königs der Strahleninseln, von der Suche nach den Verlobungsringen und vom Kampf gegen das Dornengestrüpp abzubringen. Dazu nutzt sie den unter Fachleuten bekannten Domino-Fluch. Zwischen Tundra und Einöde lagert sie, um den Prinzen anzubaggern und in die Irre zu führen. Schließlich landet er bei der Sonne (Anke Walter), deren Sternchen - die wunderbare Kinderstatisterie - ihm die Erleuchtung bringen, dass er unter der Erde suchen muss. Wo Runette Botha, die auch als Fee Morphina gefällt, als Quecksilber dem Prinzen die Verlobungsringe aus Dämonias Gemächern verschafft. Annabelle Pichler als Feenkönigin Rosa verzückt besonders das kleine Publikum, während Thea Rein als Königin allein schon durchs Wuschelhaar auffällt.

Zündender Wortwitz

Norbert Zilz hat als König durch die nicht an Dämonia versandte Einladung das Drama um die Tochter Röschen erst ausgelöst und verfasst wenig später eine tolle Heiratsannonce. Sein Wortwitz um die Spindel, die er mit dem Spind verwechselt, zündet. Eine dankbare Rolle bekommt er später als Vogt mit Rauschebart, der dem schnuckeligen Prinzen die Suche nach der, dessen Opa versprochenen, Schönen ausreden will.

Hinter der auf den Vorhang projizierten Dornenhecke, die sich lichtet, findet Reinhold schließlich das schlafende Röschen inmitten des versteinerten Hofstaates mit dem klassischen Koch (Gijs Nijkamp) und seinem Tellermeister (Thomas Kiunke). So erwacht die Titelfigur und alles ist, wie es in den Märchen so ist, gut.

Nächste Vorstellung am 7. Dezember um 15 Uhr im Großen Haus Quedlinburg, Karten: 03946/96 22 22 (mz)