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Landgericht Magdeburg Landgericht Magdeburg: Quedlinburger Doppelmord-Prozess wird fortgesetzt

28.05.2013, 13:36
Der Angeklagte Siegfried G. wartet im Landgericht in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) auf den Beginn eines weiteren Verhandlungstages.
Der Angeklagte Siegfried G. wartet im Landgericht in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) auf den Beginn eines weiteren Verhandlungstages. dpa Lizenz

Magdeburg/dpa - Eigentlich sollte es am Dienstag ein Urteil zum Quedlinburger Doppelmord geben. Eigentlich sollten zunächst Oberstaatsanwältin Eva Vogel und die fünf Nebenkläger-Anwälte plädieren, dann wäre Verteidiger Carsten Ernst mit seinem Vortrag an der Reihe gewesen, und schließlich hätte sich die Schwurgerichtskammer mit ihrem Vorsitzenden Dirk Sternberg zur Beratung zurückgezogen, um ein Urteil zu finden: Muss der 25-jährige Siegfried G., der am 14. Dezember 2012 seinen Vater erschossen und seine Stiefmutter erschlagen haben soll, ins Gefängnis? Und wenn ja, wie lange?

Doch es kam anders. Das Gericht beschäftigte sich vom frühen Morgen bis zum späten Nachmittag mit einem Antrag von G.s Anwalt Ernst. Dieser forderte ein zweites Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Andreas Marneros aus Halle.

Der vom Gericht bestellte Sachverständige Jörg Twele war zu dem Schluss gekommen, dass der Angeklagte zwar unter einer Persönlichkeitsstörung leidet, aber die ausgesprochen brutalen Taten nicht im Affekt begangen hat. „Ich finde nicht viel, was für eine Tat im Affekt sprechen könnte“, sagte Twele. So habe Siegfried G. sich eigens in Bielefeld, wo er seit Mai 2010 lebt, eine Pistole besorgt, mit ihr das Schießen auf Flaschen geübt. Mit dieser Kleinkaliberwaffe soll er seinen 72 Vater Horst G. erschossen und den 40-jährigen Halbbruder Hagen G. schwer verletzt haben.

Gegenüber Twele hatte der Angeklagte ausgesagt, dass er sich gefürchtet habe, unbewaffnet durch Quedlinburg zu gehen. „Meine Familie ist stadtbekannt“, habe ihm Siegfried G. bei der Begutachtung gesagt, so der Psychiater. G. fürchte Rache, weil er vor Jahren gemeinsam mit seinem Bruder ein Mädchen überfallen und schwer verletzt hat. Die Pistole habe also seinem Schutz dienen sollen, behauptet der Angeklagte. Twele: „Ist das Fantasie, Realität, Lüge, Wahn?“

Für Twele sieht alles eher nach einer geplanten Tat als nach einer Tötung im Affekt - bei der zufällig auch eine Pistole zur Hand war - aus. Was noch für die Planung spricht, ist die vor mehreren Zeugen geäußerte Ankündigung G.s, er wolle in Quedlinburg noch „ein großes Ding drehen“, um seinen fünfjährigen Sohn finanziell abzusichern. Tatsächlich sollen bis heute mehrere Zehntausend Euro verschwunden sein, die der getötete Vater immer bei sich gehabt haben soll. Außerdem hat der Angeklagte nach der Tat wohl noch die Wohnung der soeben Getöteten durchsucht und zwei - nicht sonderlich wertvolle - Münzsammlungen mitgehen lassen.

Der Psychiater Marneros, wendet Verteidiger Ernst ein, halte es trotz möglicher Planungen prinzipiell für möglich, dass eine Tat im Affekt verübt wird. Darum fordert er die erneute Begutachtung seines Mandanten durch den Hallenser. Staatsanwaltschaft und Nebenklage lehnen dies einmütig ab, weil Ernst Tweles Gutachten nicht als lückenhaft oder gar fehlerhaft kritisiert habe, sondern nur von Mameros eine andere Interpretation der Taten seines Mandanten erwarte. Am Donnerstag will das Gericht nach einer weiteren Befragung Tweles entscheiden, wie verfahren wird. „Es geht hier um einiges“, so der Vorsitzende Richter, „darum kommen wir wohl nicht drum herum.“