Harzkreis Harzkreis: Wenn Halbtags- auf Ganztagsschule trifft
BLANKENBURG/MZ. - 130 Ganztagsschulen gibt es derzeit in Sachsen-Anhalt. Darunter befinden sich Einrichtungen wie die Grundschulen in Ströbeck und Schwanebeck, das GutsMuths Gymnasium Quedlinburg oder die Bebel-Sekundarschule Blankenburg. Sabrina Mewes sowie Antje Pechau betreuen sie mit ihrer Serviceagentur "Ganztägig lernen", die bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, Regionalstelle Sachsen-Anhalt, angesiedelt ist.
Die Ganztagsschulen setzen auf einen guten Wechsel von Anspannung und Entspannung. "Dabei geht es nicht um die Verlängerung des Schulalltages, sondern um ein völlig neues pädagogisches Verständnis. Wir arbeiten an einer erweiterten Lernzeit mit differenzierten Methoden und neuen Organisationsformen. Damit machen wir Bildung vielfältiger", erklärt die Diplomheilpädagogin Sabrina Mewes. Ihre Mitstreiterin Antje Pechau, eine Sekundarschullehrerin, wurde dank der Unterstützung des Kultusministeriums, mit dem die DKJS sehr gut kooperiert, abgeordnet. "So wird keine Theorie übergestülpt, sondern da kommt jemand aus der Praxis, der dicht dran ist an den Lernerfahrungen. Hier im Service-Team stammen wir aus recht unterschiedlichen Professionen, das bereichert schon. Aber es ist durchaus Umdenken auf beiden Seiten gefordert, wenn Ganztagsschule klappen soll", sagt sie. Das sei ein ganz anderes Verständnis des Pädagogen-Daseins: Aus dem Wissensvermittler wurde der Lernbegleiter.
So ein Ganztagsschulkonzept entstehe in einem langen, durchaus schwierigen Prozess, in dem Eltern, Kinder sowie Lehrer mitgenommen werden. Sabrina Mewes verweist auf die Einheit von Lern- und Lebensort Schule. Wenn man zunehmend verwaiste Dörfer sieht, wo außer dem Kirchturm fast nichts mehr da ist, da gewinnt die Schule als Ort von Arbeitsgemeinschaften, Sport und Begegnung deutlich an Gewicht. Ganztagsschulen liegen nach ihren Erfahrungen voll im Trend. "Unsere Agentur arbeitet seit 2005. Dass in Bayern erst vor wenigen Wochen eine solche Agentur entstand, zeugt davon, dass es nicht vorrangig ein Ost-West-Gefälle gibt, obwohl natürlich in Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg bereits längere Erfahrungen bestehen. Die nutzen wir ebenso wie die aus Finnland oder Großbritannien. Jedoch signalisiert das Land Sachsen-Anhalt, das Netz der Ganztagsschulen auszubauen. Schließlich gehört zum Konzept der Ganztagsschulen genau das, was die Wirtschaft fordert: Nicht allein das Vollstopfen mit Wissen, sondern die Ausprägung von Kompetenz."
Die Serviceagentur versteht sich als Moderator regionaler Netzwerke von Ganztagsschulen, fördert das Diskutieren von Qualitätskriterien, die Kooperationen mit außerschulischen Partnern und natürlich das Fitmachen in Seminaren, Werkstattgesprächen oder Workshops. "Wir sind eine lernende Serviceagentur. Was wir an guten Ansätzen aufnehmen, vermitteln wir weiter", so die Praktikerin Antje Pechau. "Und wir kommen zur Beratung vor Ort, wollen statt Bildungstourismus den Erfahrungstransfer in den Schulen. In unserem thematischen Netzwerk 'Lernkultur - für erfolgreiches Lernen' diskutieren Experten aus Ganztagsschulen des Landes ihre Konzepte und entwickeln schulübergreifend ihre Lehr- und Lernkultur weiter. Fachliche Unterstützung kommt durch Unis und Fachhochschulen in Sachsen-Anhalt und bundesweite Experten aus den Programm-Werkstätten."
Antje Pechau spricht vom "geschlossenen System Schule", dem es durchaus wohl tut, wenn ein Blick von außen zugelassen wird. "Momentan begleite ich gemeinsam mit einer Schulentwicklungsberaterin aus Thüringen einen ganz besonderen Prozess. Die Schulentwicklungsplanung im Landkreis Harz sieht ja die Fusion der Heine- und Bebel-Sekundarschulen in Blankenburg vor. Der Zusammenschluss einer Halb- und einer Ganztagsschule birgt ja besonderes Konfliktpotential." Dabei werde auf sensible Begleitung des Fusionsprozesses Wert gelegt. "Wir kämpfen da nicht auf einer Seite, sondern sind Brückenbauer, Moderatoren und Impulsgeber. Wir können nur anschubsen, für die Inhalte sind die Schulen selbst verantwortlich." In Blankenburg werde besonderer Wert darauf gelegt, dass keine Schule sich "untergebuttert fühlt". Es soll nicht zusammengeschmissen werden, sondern das Erhaltenswerte aus beiden Schulen im neuen Konzept integriert werden.
"Ich beobachte da auf beiden Seiten Offenheit und Bereitschaft", schätzt die Mitarbeiterin der Serviceagentur "Ganztägig lernen" ein. "Da trifft der Halbtagsschullehrer von der Heine-Schule auf den Bebel-Ganztagsschullehrer. Wir schaffen die Plattform zur Kommunikation für eine Annäherung, um der neuen Schule Struktur zu geben. Eine gemeinsame Zukunftswerkstatt war ein Meilenstein auf dem Weg zur gelungenen Fusion. Durch die Moderation und Begleitung des Prozesses wollen wir zeigen, dass eine Schulfusion auch förderlich für den Schulentwicklungsprozess sein kann."