Harzklinikum Quedlinburg Harzklinikum Quedlinburg: Mitra-Clip kommt mitten ins Herz
quedlinburg - Das Prozedere ist so schwierig wie der Begriff, der es benennt: Perkutane Mitralklappenrekonstruktion. Es ist ein wenig so wie dieses Spiel, das es auf manchem Rummelplatz gibt: Man steuert mit einem Joystick einen Greifer, der hinter Plexiglasfenstern immer wieder ins Leere langt. Am Ende kriegt man vielleicht den kleinen Plüschaffen. Den Gameboy schafft man nie. Stellen Sie sich dieses Spiel vor, während Sie auf einem Bein balancieren. So etwa funktioniert die Perkutane Mitralklappenrekonstruktion. 250 Handgriffe sind nötig, damit die Operation gelingt. Und dabei geht es um Leben und Tod.
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„Wir gehen mit dem Katheter durch die Vene in der Leiste, passieren dann die Trennwand zwischen dem rechten und dem linken Vorhof und richten uns dann in Richtung Mitralklappe aus“, beschreibt Sven Fischer, Chefarzt der Kardiologie im Quedlinburger Harzklinikum, den Beginn des Eingriffs. Herzbehandlungen mit einem Katheter sind mittlerweile Standard. Mit diesem Gerät können zum Beispiel verstopfte Adern gedehnt oder mit kleinen Röhrchen, so genannten Stents, stabilisiert werden. Die Mitralklappenrekonstruktion am schlagenden Herzen ist dagegen noch recht neu. In Sachsen-Anhalt wird sie bislang nur in Magdeburg angeboten - und seit rund sechs Wochen nun auch am Harzklinikum in Quedlinburg.
Zum Einsatz kommt sie bei der Mitralinsuffizenz, einer Schwäche der Herzklappe in der linken Herzkammer. Die Mitralklappe besteht aus zwei Segeln, die sich regelmäßig öffnen, um das aus der Lunge heranfließende Blut durchzulassen. „Beim Öffnen sieht sie aus wie ein Fischmaul“, sagt Fischer. Wenn die Klappe aber nicht mehr richtig arbeitet - und nicht mehr komplett schließt -, dann fließt nicht das ganze sauerstoffreiche Blut zu den Organen im Körper, sondern schwappt zum Teil wieder zurück in Richtung Lunge. „Das führt zu Luftnot, dicken Beinen und allgemeiner Schwäche“, sagt Fischer.
Spezieller Katheter
Hat Fischer die Trennwand zwischen den Vorkammern mit seinem speziellen Katheter durchstoßen, dann muss er dessen Spitze von oben zwischen den beiden Segeln der Mitralklappe hindurchführen (siehe Zeichnung) und beim Rückziehen den so genannten Mitra-Clip zusammenklicken, so dass er die Segel in der Mitte zusammenrafft. Um zu sehen, wo sich der Katheter gerade befindet, wird seine Position laufend von einer Ultraschallsonde, die in die Speiseröhre eingeführt wird, auf einem Bildschirm angezeigt.
Der Clip an der Katheterspitze misst geöffnet vom Ende des einen Flügels bis zum anderen 17 Millimeter, geschlossen sind es noch 5. Er besteht aus einer Kobalt-Chrom-Legierung und wird mit einem speziellen Kunststoff („Dacron“) ummantelt, damit er besser in die Herzklappe einwächst. Wenn der Clip gesetzt ist, schließt die Mitralklappe meist wieder besser - im Idealfall ist sie komplett dicht. Dann sieht sie beim Öffnen aus wie eine Acht - durch die Raffung hat man also zwei Öffnungen der Klappe. Wenn nötig, können aber bei einer OP auch gleich mehrere Clips gesetzt werden. Rund 30 000 Euro kostet die Operation mit dem Mitra-Clip.
Implantate für Herzklappen
Nicht mehr richtig schließende Herzklappen können auch operiert oder durch Implantate ersetzt werden. Dazu muss jedoch meist die Brust des Kranken geöffnet werden. „Unsere Patienten werden aber immer älter und haben oft gleich mehrere Krankheiten“, sagt Chefarzt Fischer. „Da ist solch eine Operation am offenen Herzen sehr riskant.“ Das Ergebnis einer OP sei im Regelfall zwar besser, der Eingriff mit dem Katheter und dem Mitra-Clip aber wesentlich schonender.
Für den Fall, dass es bei der Operation dennoch zu Komplikationen kommt, gehört Harald Hausmann zu dem mehr als ein Dutzend Köpfe zählenden Operationsteam. „Wir sind hier, damit wir eingreifen können, wenn etwas schief geht“, sagt Hausmann, Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie am Herzzentrum Coswig. Für den Notfall hat der Herzchirurg eine mobile Herz-Lungen-Maschine dabei, die es möglich macht, dass Patienten in ein Herzzentrum geflogen werden können. „Das Quedlinburger Herzkatheterlabor macht häufig Eingriffe“, beruhigt Hausmann jedoch. „Man hat hier gute technische Voraussetzungen.“
Bislang gab es im Harzklinikum zwölf Mitralklappenrekonstruktionen. Bei einem Eingriff kam es zu einer Komplikation: Der Clip funktionierte zu gut - die Herzklappe war so dicht, dass das ohnehin geschwächte Herz damit ein „Notventil“ verlor. Er musste wieder entfernt werden. „Der Patient ist nach zwölf Tagen entlassen worden“, teilte Chefarzt Fischer mit, „ihm geht es gut.“ (mz)