Harzer Städtebundtheater Harzer Städtebundtheater: Schillers Werke im Zeitraffer

Quedlinburg/MZ - Schauspieler spielen Schauspieler, die wiederum Schiller spielen wollen: Aus Kostengründen für Theater und Besucher gleichermaßen ganze elf Werke an einem Abend. So lässt sich das Stück „Schillers sämtliche Werke...leicht gekürzt“ von Michael Ehnert auf den Punkt bringen. Über den Inhalt sollte der Kritiker schweigen, denn das mögen Akteure wie Gerold Ströher (Mike) und Teresa Zschernig (Hilmi). Wichtig sei, dass ihre Namen richtig geschrieben werden, meinen sie auf der Bühne des Wiperti-Hofes.
So hetzen die Darsteller, hier mal einen Klassikerfetzen zitierend, da mal ein Bonmot einwerfend, auf Schwertpferden reitend oder Apfelkisten leerend in zwei Stunden durch „Die Räuber“, „Kabale und Liebe“, „Don Carlos“, „Wallenstein“, „Maria Stuart“, „Die Jungfrau von Orléans“, „Wilhelm Tell“ und das Balladenwerk. Wie heute vor dem Runterladen eines Songs im Internet wird alles kurz mal angespielt. Trotzdem gelingt es, einige Figuren durchaus mit prallem Leben zu füllen.
Wallenstein ähnelt Adolf Hitler
Arnold Hofheinz gibt beeindruckend einen Wallenstein, der einem von Allmachtsfantasien getriebenen Adolf Hitler verdammt ähnelt, den Bruno Ganz in „Der Untergang“ spielte, womit man wieder bei Schiller und Ifflands Ring landet.
Weitere Vorstellungen am 24. Juli im Kreuzgang der Liebfrauenkirche Halberstadt und am 31. Juli im Wipertihof Quedlinburg.
Das Quartett, zu dem auch Jörg Vogel als Jan gehört, betätigt sich gelegentlich auch musikalisch, um die „Götterfunken“ zu preisen und die Europa-Idee zu verkünden. Sensibler Begleitmusiker des Abend ist jedoch an den Saiten neben der Bühne Andriy Klymyshyn.
Die vier Schiller-Mimen wirken ständig in Aktion, Ströher prügelt sich mit Hofheinz, Teresa Zschernig, die den Deutschtürken Hilmi spielt, hebt immer wieder an, „Die Glocke“ zu zitieren. Kurzweil ist garantiert, auch wenn an dieser und jener Stelle durchaus Ernsthaftigkeit einzieht. Das Quartett leistet den Rütlischwur und gibt sich komödiantisch. Es stellt sich dem unmöglich erscheinenden Unterfangen: sämtliche Werke und die Lebensgeschichte von Johann Christoph Friedrich Schiller vor dem sommerlich gestimmten Publikum aufzublättern.
Tarantino der Weimarer Klassik
Egoistisch feilschen die Darsteller um Rollen, wobei Hilmi-Zschernig meist die unbeliebteren abgreift, wenn „Schiller chillt“ und alles im „Fiesko-Fiasko“ endet, balancieren alle immer wieder hart am Kalauer-Abgrund. Susanne Besser setzt optisch die Regie-Arbeit ihres Erfurter Kollegen Fernando Blumenthal freiluft-kompatibel um: Eine mobile Garderobe, ein Treppchen, eine Kommode und die drehbar gelagerte Kulissenrückwand - kaum mehr braucht es. Dazu kommen all die Accessoires, die für den Sprint durch den Klassikerbücherschrank nötig sind; Perücken, Kleider, Stiefel, Schwerter und ein Messer zum Apfelschälen.
Für Klassik-Muffel schlagen die Vier den Bogen zu Stars des 20. Jahrhunderts: Uma Thurman, Michael Corleone und Quentin Tarantino, den Ströher immer wieder zum Schiller-Erbfolger deklariert. Für ihn gilt „Kabale und Liebe“ doch schon als der vorweggenommene „Pate“, Schiller hält er für den Tarantino der Weimarer Klassik. Letztlich diskutiert alles in „CSI Weimar“ an der Gruft über den Schädel des Sturm- und-Drang-Genies und verstreut Rosenblätter als Blutstropfen.
Zum Schluss herrscht dann auf der Bühne Einigkeit: Schiller war eine „alte abgefuckte coole Sau“. Und im Zuschauerraum: „Lohnende zwei Stunden Klassik, lustig und light.“