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Harz Harz: Wo Männer gern putzen

Von DETLEF ANDERS 06.09.2011, 16:44

GERNRODE/MZ. - Sorgfältig visiert Helmut Ritter die Pappscheibe an und drückt den Abzug. Doch der Schuss löst sich nicht. "Das Zündhütchen", sagt er fast entschuldigend, "das passiert manchmal." Doch der Gernröder lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, tauscht das Corpus Delicti aus und visiert erneut an. Dann löst sich mit einem ohrenbetäubenden Knall, der nur mit einem Gehörschutz zu ertragen ist, der Schuss. Eine gewaltige Qualmwolke verhindert, dass der Schütze mit dem Zielfernrohr erkennen kann, wo er die 50 Meter entfernte Scheibe getroffen hat. Kein Windzug zieht heute durch das Gernröder Hagental.

Helmut Ritter gehört zu den 15 bis 20 Mitgliedern des Kreisschützenbundes Quedlinburg, die seit vielen Jahren neben dem KK-Schießen dem Vorderladerschießen frönen und sich seit 1994 einmal im Jahr zur Kreisbestenermittlung, dem Schießen um die Harzschützenkette treffen. "Die Modelle, die wir hier schießen, sind Repliken von Waffen, die bis 1850 gebaut wurden", erklärt Werner Windel aus Harzgerode. Er schießt mit einer so genannten Tyron-Langwaffe. Vor sich hat er eine Palette Glasröhrchen stehen, die wie Reagenzgläser anmuten. Sorgfältig hat er hierin die für jeden Schuss benötigte Menge Schwarzpulver gefüllt. 15 kreisrunde Schusspflaster, Verdämmungspfropfen und eine Dose mit den Projektilen, 1,2 Zentimeter große Bleikugeln, die in den Lauf der Waffen eingeführt werden, liegen daneben.

Zu Hause gießt Werner Windel die Kugeln auch selbst, doch heute verwendet er gekaufte Bleikugeln. Die seien maßgenauer und Windel will schließlich, wie vor zwei Jahren schon einmal, gewinnen. Das Gießen der Geschosse aus einer Bleimasse in den Formen erinnert ihn immer an den "Freischütz", die Oper von Carl Maria von Weber, bei der sich die Helden nachts zum Gießen der Freikugeln trafen, um zu gewinnen. "Das ist genau das, was wir wollen, die alten Traditionen, die unsere Altvorderen gepflegt haben, mal nachvollziehen."

Frauen sind im Hagental nicht zu sehen. Das Vorderladerschießen ist eine reine Männerdomäne, obwohl penibel geputzt werden muss. Die Läufe der Waffen müssen nach jedem Schuss mit einem kleinen Tuch gesäubert werden, das mit dem Ladestock in den Lauf geschoben wird. "Ohne Reinigung wären die Schüsse zu ungenau", weiß Ritter. "Mit Schwarzpulver hantieren, das macht Männern eben Spaß."

Die Scheiben, auf die geschossen wird, sind eigentlich Pistolenscheiben, 55 mal 55 Zentimeter groß. Der "Achter-Ring", der von den meisten hier getroffen wird, hat einen Durchmesser von 15 Zentimeter. 15 Schuss darf jeder Schütze in 45 Minuten abgeben. Patronierte Munition gibt es auch für Großkaliber, aber dann würde es Probleme, wie die mit Ritters Zündhütchen, nicht geben. "Vorderladerschießen hängt von vielen Kleinigkeiten ab und gerade das ist das schöne", erklärt Thomas Poost, der 3. Kreisschützenvogt, der selbst begeisterter Schwarzpulverschütze ist. "Jede Waffe ist anders, man muss lange rumtüfteln." Ganz preiswert ist es auch nicht. Jeder Schuss kostet 50 Cent, hat er ausgerechnet, bei einer Muskete wäre es ein Euro, aber niemand schießt sie im Wettkampf, da sie nicht so genau ist.

15 bis 20 solcher Sportschützen gibt es im Quedlinburger Raum. "Das ist zwar nicht berauschend, aber besser als in den Altkreisen Wernigerode und Halberstadt", erklärt Poost und berichtet über Pläne, gemeinsame Wettkämpfe durchzuführen. Vielleicht hätten da die besten Quedlinburger Schützen auch gute Chancen auf Meisterehren. Die Harzschützenkette konnte letztlich der für Borne startende Vorjahressieger Detlef Freund wieder mitnehmen. Er gewann mit 137 Ringen. Drei weniger wurden bei Werner Windel (Harzschützenbund Gernrode) gezählt. Dahinter wurde es knapp. Platz drei belegte Wolfgang Seidel (SG Thale, 133) vor Sigmar Hillmann (SV Siptenfelde, 132) und Michael Bartel (SV Etgersleben, 131).