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Harz Harz: Ü-Ei statt Elbschlösschen

Von Detlef Anders 18.04.2012, 14:23

Bad Suderode/MZ. - Das Wasserrad, das mehrere Jahre lang am Hang zum Tempelberg stand und sich immer im Sommer drehte, ist verschwunden. Der Schachtteller und die Scherperplatte stehen nicht mehr auf der Speisekarte. Und doch: Nach zwei Jahren mit verschlossenen Türen ist wieder Leben in die einstige Traditionsgaststätte "Bergmönch" - vis-a-vis dem Kurzentrum an der Brinkstraße in Bad Suderode gelegen - eingekehrt.

Cornelia und Wolf-Dieter Merkel sorgen für dieses Leben. Mit 53 Jahren wagt der Gastronom aus Sachsen mit seiner Frau in Bad Suderode einen Neuanfang. 22 Jahre lang hatten die beiden in Meißen das Elbschlösschen, ein Fischrestaurant, geführt. Merkel stammt aus einer Gastronomenfamilie. Seine Eltern hatten das Elbschlösschen schon seit 1958 geleitet. Das Haus lief gut. Doch das, was den Reiz ausmachte, wurde der Familie zum Verhängnis - die Elbnähe.

2002 stand das Hochwasser im ersten Geschoss einen halben Meter hoch. "Unser Elbschlösschen war eine Ruine mit Stromanschluss", gesteht Merkel: "Es standen noch drei Wände und der Dachstuhl." Alles andere musste erneuert werden. Ein Jahr lang verdienten sie nichts und lebten mit ihrer Dogge in einem Caravan auf dem Parkplatz des Restaurants. Die 1,2 Millionen Euro zahlte die Versicherung anstandslos. Sechs Monate später kündigte sie. Merkel lief Sturm dagegen, doch vergeblich. "Wir versichern Sie hier an der Elbe gegen Lawinengefahr", habe ein Versicherungsvertreter ihm erklärt. Andere Versicherer hätten ihn versichert. "Doch die waren so teuer, da hätte ich im Jahr zwei Hochwasser gebraucht, damit sich das rechnet", ärgert sich der Sachse noch heute.

2006 kam das nächste Hochwasser. Und als dann vor einem Jahr plötzlich die Elbe wieder stieg und Merkel mit seiner Frau bis früh um drei das Erdgeschoss ausräumte, "da hatte ich einfach die Schnauze voll - Schluss, aus, Sense." Der Sohn (31), wollte das Elbschlösschen wegen der Hochwasserproblematik ohnehin nicht übernehmen und arbeitet als Restaurantleiter in Gral Müritz. So lag die Entscheidung nah, den Betrieb in Meißen zu verkaufen und an der Ostsee eine Gaststätte zu übernehmen. "Aber da kostet eine Imbissbude so viel wie in Dresden eine Villa." Dass sie sich im Harz ein Haus ansahen, lag am neuen Eigentümer ihres Elbschlösschens. Der ist zwar kein Gastronom, aber ein Gernröder und legte ihnen den "Bergmönch" ans Herz: "Das Ding ist schön und hat eine gute Geschäftslage." Sein Argument "ich will aber an die Ostsee", warf Frau Cornelia beim ersten Besuch über den Haufen: "Dicker - das isses", soll sie entschieden haben. Vielleicht war es der Kamin mitten im Restaurant, den sie auch im Elbschlösschen hatten. Vielleicht aber auch die Tatsache, dass kein Fluss oder Bach in der Nähe ist.

Zusage nach drei Stunden

Die Familie machte dem Insolvenzverwalter, der das Haus seit der Schließung 2009 betreute, ein Angebot und drei Stunden später kam die Zusage. Mit anderen Gastronomen im Ort hätten sie sich nicht unterhalten und bei einem Insolvenzkauf "ist das wie so eine Art Überraschungsei - gekauft wie gesehen". Doch im Ort seien sie gut aufgenommen worden. Seit dem 12. Januar sind die Merkels Eigentümer. Mit zwei Zwölftonnern kamen sie aus Meißen und zogen ein. Das Haus war schließlich erst 2002 von Grund auf saniert worden. Nur die Küche musste komplett erneuert und Malerarbeiten erledigt werden.

Der Name ist geblieben, doch die einst gemütlichen Bänke sind verschwunden und nur in einem hínteren Raum kommt durch den Verbau und die Natursteinwände noch Bergbauatmosphäre auf.

Lockruf mit Fisch und Wein

Schon der erste Blick von der Straße auf die gedeckten Tische lässt erkennen, worauf die Merkels wert legen. "Wir kommen aus einer Weingegend und wollten in eine etablierte Biergegend." Weine aus Meißen und dem Saale-Unstrut-Gebiet werden gereicht und der mittlere Raum ist eine Weinstube geworden. "Wir wollen ein A-La-Carte-Geschäft anbieten mit Fischspezialitäten und schönem Wein dazu." Statt der einst 80 Innenplätze gibt es nur noch 46 Plätze. Auf die Außenplätze wird verzichtet. Zum Namen Bergmönch passen Wandmalereien, die eine gelernte Porzellanmalerin gestaltete. Die Ferienzimmer sollen erst zum Jahresende wieder zur Vermietung zur Verfügung stehen.

"Alter, was du hier machst, ist eine abgefahrene Kiste", soll der Sohn des Paares nach seinem Besuch gesagt haben. Und Merkel ist optimistisch, dass sein Junge mit der Familie im nächsten Jahr in den Harz zieht, hier arbeitet, und dann das Haus irgendwann einmal übernimmt. "Wir sind zum Bergmönch gekommen, wie ein Blinder zur Ohrfeige", lacht der Chef des Hauses, der nun nach der Eröffnung schnellstmöglich eine Kellnerin einstellen will.