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Expertin klärt auf Geschirr aus nachwachsenden Rohstoffen in Quedlinburg: Expertin vom Umwelt-Bundesamt rät zum Mehrwegsystem

Von Ingo Kugenbuch 11.09.2018, 09:54
Sieht stylish aus, aber schont es auch die Umwelt? Das Palmblatt-Geschirr von Leef
Sieht stylish aus, aber schont es auch die Umwelt? Das Palmblatt-Geschirr von Leef Leef Blattwerk GmbH

Quedlinburg - Sie sind rund, 18 Zentimeter im Durchmesser, kosten 49,98 Euro pro 200 Stück und sollen die Welt retten: Teller aus gepressten Palmblättern. „Augenblicklich begriffen wir, welchen Beitrag zu einer besseren Welt ein solches Produkt leisten kann, wenn es langfristig gelingt, herkömmliche Plastikteller zu ersetzen“, schreiben die Erfinder und Produzenten der Palmblattteller, die Berliner Firma Leef Blattwerk GmbH, auf ihrer Homepage.

Das Unternehmen, dessen Name an das Wort „Leaf“ (Englisch für „Blatt“) erinnern soll, ist nun bei der Diskussion um nachhaltiges Einweggeschirr auf dem Sachsen-Anhalt-Tag 2019 in Quedlinburg ins Spiel gebracht worden. Können Produkte wie jene von Leef das große Fest aber tatsächlich umweltfreundlicher machen?

Stadtrat beauftragte Verwaltung, nach Alternativen zu suchen

Rückblick: Die Quedlinburger Stadtverwaltung prüft, ob beim Sachsen-Anhalt-Tag zur Bedingung gemacht werden kann, dass Händler und Anbieter „umweltfreundliches Einweggeschirr“ verwenden. Das hat der Stadtrat mehrheitlich beschlossen.

Ausgangspunkt war ein Antrag von Gabriele Vester (Bürgerforum). Sie sah einen möglichen „Imagegewinn“ für die Stadt: „Der Sachsen-Anhalt-Tag wird zum ersten Mal umweltfreundlich gestaltet sein, und das in der Welterbestadt Quedlinburg.“

Veronika Kartheuser verweist auf „Karneval der Kulturen“

Auf einen kritischen MZ-Kommentar hin schickte Leserin Veronika Kartheuser eine Mail: Es gebe durchaus eine Alternative zum Einweggeschirr aus Plastik, schreibt sie, „und zwar Teller und Besteck aus Bananen- und Maisblättern oder Pappelholz“ - wie sie zum Beispiel auf dem „Karneval der Kulturen“ in Berlin genutzt würden.

Das Einweggeschirr bei diesem großen Fest stammt vom Hersteller Leef. Dessen Einweg-Teller seien „nichts weiter als gepresste Blätter, die nach nur drei Monaten kompostieren und bereits fair und nachhaltig produziert wurden“, wirbt das Unternehmen.

Aus Abfallprodukten von Bethelnüssen in Asien

Die Blätter seien ein Abfallprodukt, das beim Anbau der Bethelnuss in Asien entstehe. „Für unsere Palmblatt-Teller werden somit keine Wälder gerodet oder neue Plantagen geschaffen“, heißt es von der Firma.

Wäre Einweggeschirr aus nachwachsenden Materialien also die Lösung für den Sachsen-Anhalt-Tag? Ist es - ökologisch gesehen - also tatsächlich besser als Plastikgeschirr? „Nein“, sagt Petra Weißhaupt, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Umweltbundesamt (Uba) in Dessau. Bei solchen Veranstaltungen lande Einweggeschirr in der Regel mit allem anderen Abfall im Restmüll - genau wie Einweggeschirr aus konventionellem Kunststoff oder Papier.

Expertin vom Umweltbundesamt sieht keine Vorteile

Zwar werden für die Teller aus nachwachsenden Rohstoffen Materialien verwendet, die zuvor beim Wachstum das Kohlendioxid gebunden haben, das bei der Verbrennung wieder frei wird.

Doch auch bei deren Produktion und Transport wird Energie benötigt und damit Kohlendioxid erzeugt. Außerdem könnte die Herstellung von Bio-Materialien zu einer Intensivierung der Landwirtschaft führen - das heißt: zum Einsatz von mehr Dünger und Pestiziden. Ihr Fazit: „Der ökologische Vorteil gegenüber konventionellen Kunststoff-Einwegprodukten ist marginal.“

Und selbst wenn Palmteller nach der Veranstaltung getrennt entsorgt werden würden, sind sie nicht für eine Kompostierung zugelassen. Petra Weißhaupt rät auch unbedingt davon ab, das benutzte Geschirr einfach auf den Komposthaufen im Garten oder gar in den Wald zu werfen.

Petra Weißhaupt rät stattdessen zum Mehrweg-System

„Niemand kann sagen, wie lange es dauert, bis diese Stoffe in der Natur wirklich verrotten.“ Hinzu komme das Problem, dass der Hersteller bei solchen Naturprodukten gewährleisten müsse, dass eine Eignung als so genanntes Lebensmittelkontaktmaterial vorliege, sagt Petra Weißhaupt. Es dürfe keine Reste von Dünger, Pestiziden oder Schimmel enthalten. Ihre Empfehlung: ein Mehrwegsystem.

Zumindest für die Getränke, teilt Stadt-Pressesprecherin Sabine Bahß mit, werde das beim Sachsen-Anhalt-Tag erwogen. (mz)