Gerichtsverhandlung Gerichtsverhandlung: Zeugen sagen im Prozess gegen mutmaßlichen Doppelmörder aus

quedlinburg/magdeburg/MZ - Was macht ein Mann, der seinen Vater erschossen und die Stiefmutter erschlagen hat? Er trifft sich mit einem Kumpel bei McDonald’s, holt dann an einer Tankstelle zwei Flaschen Whisky, um den Rest der Nacht in Erinnerungen zu schwelgen. So jedenfalls schildert es am Dienstag im Landgericht die Lebensgefährtin eben jenes Freundes Siegfried G.s, der den mutmaßlichen Doppelmörder nach der Tat für eine Nacht bei sich aufgenommen hat. „Sie saßen in der Küche, haben geraucht, erzählt und getrunken - was Männer eben so machen, wenn sie sich lange Zeit nicht gesehen haben“, sagt die 28-Jährige.
„Was machten Sie sonst noch?“, fragt der Vorsitzende Richter der Schwurgerichtskammer, Dirk Sternberg, den Freund Siegfried G.s. „Was man halt so macht, Musik hören, alte Sachen erzählen, Belangloses“, antwortet dieser. Der Mann, der gerade zwei Menschen getötet und einen schwer verletzt haben soll, soll sich nichts anmerken lassen haben. Erst als sein Kumpel am nächsten Tag auf der Arbeit - der Angeklagte schläft bei ihm auf der Couch - hört, dass er von der Polizei vernommen werden soll, wird der Mann stutzig. Sein Laptop ist aufgeklappt und läuft, als er dann gegen 14.30 Uhr nach Hause kommt. Siegfried G. hat sich offenbar im Internet über die Bluttat in Quedlinburg informiert. „Es war für mich irgendwann schon klar, dass da was Schräges gelaufen ist“, sagt der Zeuge. Dann verschwindet der 25-jährige mutmaßliche Doppelmörder in Richtung Bielefeld, die Polizei kommt zu spät, um ihn noch in Blankenburg zu verhaften.
Ganz so entspannt ist Siegfried G. an dem Abend nach dem Doppelmord, den er bisher nur gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen Jörg Twele eingeräumt hat, wohl doch nicht. Er ruft nach der Tat seine Vermieterin in Bielefeld - zu der er eine regelrechte Mutter-Sohn-Beziehung hat - an. „Es wurde geschossen, ich bin voller Blut“, soll er zu ihr gesagt haben, sagt die 49-Jährige am Dienstag als Zeugin. Sie allerdings habe angenommen, dass er das Opfer bei einem Zwischenfall gewesen sei.
Was für ein Mensch ist G.?
„Er ist hilfsbereit, freundlich, höflich und zuvorkommend“, sagt seine Vermieterin. „Ich habe einen herzensguten Menschen kennen gelernt, dem ich bedingungslos alles anvertrauen würde.“ Das klingt so ganz anders als das, was seine diversen Vorstrafen über Siegfried G. sagen: Er hat Menschen bestohlen, geschlagen, überfallen und bedroht. Sein letztes Opfer - eine junge Frau, in deren Bielefelder Wohnung G. eingebrochen ist - kann bis heute wegen der Tat nicht arbeiten und will Bielefeld verlassen.
„Er ist einer von den Guten.“ So sieht den Angeklagten dessen 28-jährige Freundin. „Wir sind gerade dabei, uns näherzukommen“, sagt die Bielefelderin über ihre Beziehung zu Siegfried G. Sie habe zwar gewusst, dass G. in seiner Vergangenheit Probleme mit der Polizei gehabt habe und dass auch noch eine Haftstrafe im Raum stehe. Aber: „Zu mir war er immer lieb. Ich habe mich bei ihm immer sicher und sehr wohl gefühlt“, sagt sie. Während ihrer Zeugenaussage sieht der Angeklagte ununterbrochen auf den Tisch vor ihm, schaut seine Freundin nicht an.
Siegfried G.s ehemalige Freundin, 24, mit der er einen fünfjährigen Sohn hat, schildert den Angeklagten ganz anders. „Er war sehr gewalttätig“, sagt die blonde Frau. „Er ist öfters ausgerastet, hat mich geschlagen - dann war er nicht mehr er selbst.“ Später habe er sich entschuldigt. Einmal habe er sie so zusammengetreten, dass sie mit einem Nierenhämatom ins Krankenhaus gekommen sei. „Hatten Sie das Gefühl, dass der Angeklagte Spaß an den Schlägen hatte?“, fragt Twele nach. „Wenn ich blutete, ja“, antwortet die junge Frau, die ihren Freund 2011 verließ. Ihr gegenüber soll der Angeklagte angekündigt haben, dass er noch „ein großes Ding“ drehen will - um seinem Sohn Geld schicken zu können. „Er wollte in Quedlinburg was regeln“, bestätigt auch die Bielefelder Freundin. Was das sein könnte, wissen die Frauen jedoch nicht.
Hat sich der Zorn des Siegfried G. dadurch entfacht, dass sich sein verhasster Vater, der schon ihn in der Kindheit misshandelt haben soll, nun um seinen Sohn kümmerte? Das nannte G. als Auslöser der Bluttat gegenüber Twele: Er habe sich Sorgen um seinen Sohn gemacht. Immer wieder heißt es in Zeugenaussagen, dass der 72-Jährige sich an die Ex-Freundin seines Sohnes herangemacht haben könnte. Die 24-Jährige sagt jedoch, sie habe zu ihm ein „Vater-Tochter-Verhältnis“ gehabt. Für mehr gibt es bislang keine Indizien. Noch schweigt der Angeklagte im Gericht. Eigentlich hatte sein Anwalt Carsten Ernst für Dienstag eine Aussage seines Mandanten angekündigt. Bis um 17 Uhr gab es die jedoch nicht. Das Verfahren gegen Siegfried G. wird fortgesetzt. Der letzte Verhandlungstag ist der 28. Mai.