Immer mehr Frauen im Einsatz: Umfrage unter Feuerwehrfrauen im Harz Frauenpower bei der Feuerwehr
Sie sind in der Minderheit, werden aber mehr: weibliche Einsatzkräfte. Was sie antreibt? Wie sie zur Feuer gekommen sind? Und vor welchen Herausforderungen sie als Feuerwehrfrau stehen? Wir haben uns in den Wehren der Stadt Harzgerode umgehört.
Harzgerode/MZ. - Feuerwehr ist nicht mehr nur Männersache. Frauen sind zwar in der Minderheit in den Einsatzabteilungen, jedoch wächst ihr Anteil. Unter den 216 aktiven Feuerwehrleuten, die sich in den freiwilligen Wehren der Stadt Harzgerode engagieren, sind laut Stadtwehrleiter Nico Hartung 39 Frauen, neun mehr als vor einem Jahr. Bei aller Technik, die vieles erleichtere, „bleibt’s ’ne schwere Arbeit“, sagt er. Warum also entscheiden sich Frauen für die Feuerwehr? Wir haben gefragt.
Sabine Einecke, 40, Straßberg. Sie ist im zweiten Lehrjahr in der Ausbildung zur Pflegefachkraft, alleinerziehende Mutter dreier Kinder und fängt am Wochenende mit ihrer Truppmannausbildung an. Die Straßberger Wehr hat Videos im Netz gepostet; Eineckes Neugier war geweckt. Einfach mal reinschnuppern und weitersehen, dachte sie sich. Nach dem ersten Dienst sei die Sache für sie klar gewesen, sagt Einecke und rät anderen, es ihr gleich zu tun. „Jeder kann helfen.“ Das ist auch ihr Antrieb: „Helfen fängt nicht erst im Krankenhaus an. Man kann vorher schon sehr viel Gutes tun. Ich weiß, wie wichtig eine gute Erstversorgung und schnelle Hilfe sind.“ Warum nicht mehr Frauen bei der Feuerwehr sind? „Viele denken sicher noch, dass Feuerwehr ein „Männerding“ ist oder haben Angst, sich in so einer Männerdomäne zu integrieren. Ich habe damit kein Problem“, sagt sie.
Cathleen Schmelzer, 36, Straßberg. Sie ist Kinderkrankenschwester und mit zwölf Jahren zur Jugendfeuerwehr gekommen – durch eine Freundin. Mit 16 absolvierte sie den Grundlehrgang, durfte ihren ersten Einsatz fahren. Dann zog sie weg. Was folgte, war eine neunjährige Feuerwehrabstinenz. 2018 kehrte sie in die Heimat zurück. „Meine Jungs und Mädels haben mich ,angebrüllt‘, wo ich war“, nachdem sie noch mal ohne sie ausgerückt seien, erzählt Schmelzer. „Da wusste ich: Ich muss wieder zur Feuerwehr“. Dass nicht mehr Frauen bei der Feuerwehr sind, schiebt sie auch auf ein altes, vielfach noch vorherrschendes Rollenverständnis: Wenn der Mann zum Einsatz renne, passe die Frau auf die Kinder auf. Frauen seien zu schwach und dergleichen. „Na klar gibt es schweres Gerät, das man als ,normale‘ Frau nicht heben kann, aber auch nicht muss, dafür haben wir die Männer“, sagt sie und lacht. „Es gibt genug Aufgaben, die eine Frau erledigen kann, auch eine Kettensäge in die Hand nehmen und löschen natürlich – ob mit oder ohne Atemschutz.“ Im Grunde, fährt sie fort, „können und dürfen wir bei der Feuerwehr alles machen. Und wir werden genauso respektiert“. Logisch eigentlich, denn „wir haben alle dasselbe Ziel – den Menschen zu helfen und gesund nach Hause zu kommen“.
Maja Pätz, 33 Jahre, Güntersberge. Sie arbeitet in der Pflege. Als Feuerwehrfrau will sie helfen und die Tagesbereitschaft ihrer Wehr stärken. Pätz arbeitet nachts. „Das ist perfekt mit Kind“, sagt sie, „auch für die Feuerwehr ist das ideal. Denn tagsüber ist kaum einer da“, weil alle außerhalb arbeiteten. 2023 machte sie ihre Grundausbildung. Zwei Tage, nachdem sie bestanden hatte, brannte ein Bungalow. Ihr erster Einsatz. Für die Feuerwehr begeistert sie sich nicht zufällig: Freund und Kind sind auch dabei. Bei der Feuerwehr, ist sie überzeugt, finde jeder seinen Platz, egal ob Mann oder Frau. „Es zwingt einen auch keiner, irgendwas zu machen“, sie zum Beispiel könne sich nicht vorstellen, Atemschutzgeräteträgerin zu werden.
Dörte-Marie Lorenz, 35, Straßberg. Sie arbeitet als Produktionsmitarbeiterin, hat drei Kinder, ist Erste Hauptfeuerwehrfrau, Maschinistin und Kinderfeuerwehrwartin; sie gehört zum Medienteam der Straßberger Wehr und ist Protokollantin in deren Förderverein. Es sind die Feuerwehrgene. Vater, Brüder, Mutter - alle feuerwehrverbunden. „Ich bin da so mit reingerutscht“, sagt sie. 22 Jahre ist das her. In Erinnerung geblieben ist Lorenz vor allem ein Einsatz bei einer Firma in Harzgerode. „Auf den Wasserleitungen war kein richtiger Druck. Wir mussten mehr oder weniger zusehen, wie sich der Brand ausbreitet.“ Das, räumt sie ein, habe sie damals „ziemlich mitgenommen“. Steht für sie doch an erster Stelle, Menschen zu helfen. „Aber ich möchte auch das soziale Leben im Ort mitgestalten“, und an dem habe die Feuerwehr viel Anteil, sagt sie. Lorenz weiß: „Es gibt Wehren, in denen Frauen belächelt werden. Bei uns ist das zum Glück nicht so. Für jeden gibt es die perfekte Aufgabe. Und oft werden Frauen einfach unterschätzt.“ Ihre Botschaft an alle, die mit dem Gedanken spielen, zur Feuerwehr zu gehen: „Mädels, lasst euch nichts einreden, ihr könnt alles machen, worauf ihr Lust habt!“
Anika Kellner, 38, Schielo. Sie ist stellvertretende Pflegedienstleiterin im Haus Einetal in Schielo und gehört der örtlichen Wehr an, um Gutes zu tun. „Das verschafft dir auch selbst ein positives Gefühl“, sagt sie. Zur Feuerwehr kam sie durch ihren Partner, der Ortswehrleiter in Schielo ist. Im vergangenen Jahr ließ sie sich für den Einsatz ausbilden. Neben der Motivation, Menschen zu helfen, Leben retten und Brände löschen zu wollen, bestand ein weiterer Grund in der Notwendigkeit: „Zu oft musste ich zusehen, dass bei Alarmierungen niemand oder nur einer da war, und die Feuerwehr nicht ausrücken konnte.“ Durch die Arbeit vor Ort habe sie das Privileg, schnell am Depot sein zu können, erklärt sie. Natürlich, so Kellner, sei es nicht einfach, alles unter einen Hut zu bekommen – Berufliches, Privates, Ehrenamt –, „und es gibt Dinge, die sind schwer. Da sage ich aber: Ich kann das nicht heben. Dann fassen die Jungs mit an. Das ist kein Problem“.
Alexandra Wawra, 39, Güntersberge. Sie ist gelernte Krankenschwester, Inhaberin eines ambulanten Pflegedienstes in Blankenburg und Mutter zweier Kinder. Wawra gehört der Einsatzabteilung an, ist Kinderfeuerwehrwartin, stellvertretende Leiterin der Drohnenstaffel und Schriftwartin im Förderverein der Güntersberger Brandschützer. Die Feuerwehr ist schon immer Bestandteil ihres Lebens. Groß geworden in einer Feuerwehrfamilie, begann ihre Laufbahn 1997 in Wienrode. Vor acht Jahren kam sie nach Güntersberge. „Da musste ich mein Können schon ein bisschen beweisen“, was aber, wie sie sagt, weniger mit ihr als Frau zu tun gehabt habe, als dem Umstand, dass sie neu gewesen sei. So nach dem Motto: Mal gucken, was die kann. „Vorurteile sind mir nie begegnet, eher Respekt und Hilfsbereitschaft“, sagt Wawra, die es für wichtig hält, an sich selbst zu glauben und Klischees gar keinen Platz zu geben. Feuerwehr werde in der Gesellschaft immer noch zur Männersache gemacht, sagt sie. Dabei gebe es nicht nur körperlich anstrengende Aufgaben; und „es muss und kann nicht jeder vorn agieren“, sagt sie. Es brauche genauso Leute, die etwa Straßen absperrten; und in bestimmten Situationen könne eine Frau mit viel Einfühlungs- und Durchsetzungsvermögen auch mehr ausrichten als ein Mann. Was sie antreibt? „Man kann keine Hilfe von anderen erwarten, wenn man selbst keine Hilfe leistet.“
Marie Engelmann, 30, Friesdorf. Sie ist Heilerziehungspflegerin im Haus Einetal in Schielo und für die Feuerwehren in Wippra und Schielo im Einsatz. „Es motiviert mich, Menschen zu helfen, wenn sie die Hilfe am meisten benötigen“, sagt sie. Ihre Grundausbildung schloss sie 2023 ab. Angeworben worden war sie von einem Arbeitskollegen. Besonders war für sie ein Einsatz im August. Da brannte ein leer stehendes Haus. „Ich konnte das erste Mal ganz vorn mit löschen“, erzählt sie. Mit Vorurteilen sieht Engelmann sich nicht konfrontiert. Gleichwohl schließt sie nicht aus, dass es anderswo Frauen gebe, die damit zu kämpfen hätten, und „dann aufgeben“. Sie würde es begrüßen, wenn mehr Frauen in von Männern dominierten Bereichen aktiv würden: „Wer sagt, dass eine Frau nicht die gleiche Leistung wie ein Mann erbringen kann? Frauen sind multitaskingfähiger, charakterstark und innovativ“, sagt sie. Letztlich zähle aber eins: „Jede Frau sollte das verfolgen, was sie glücklich macht.“