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«Es wird niemand rausgeschmissen»

Von Elfi Schurtzmann 26.06.2007, 19:11

Gernrode/MZ. - "Wir erkannten frühzeitig, dass die einseitige Ausrichtung auf dieses Hilfsangebot den Erfordernissen der heutigen Zeit nicht mehr gerecht werden würde. Daher erweiterten wir bis 1996 das Leistungsangebot bei größtmöglicher Differenzierung der einzelnen Hilfeformen", beschreibt Geschäftsführer Peter Lüllwitz den Werdegang der Einrichtung. Heute sind es 40 Kinder und Jugendliche, die in Gernrode eine neue Heimstatt gefunden haben.

Zu DDR-Zeiten war es eine Einrichtung für Hilfsschüler mit 50 bis 60 Plätzen und sehr intensivem Personalbestand im technischen Bereich. Um dem pädagogischen Konzept mehr Gewicht zu geben, mussten die Aufgaben umverteilt und im technischen Bereich reduziert werden. So wurde der zentrale Wirtschaftsbereich aufgelöst und in den Gruppen eine "Wirtschaftsmutter" eingeführt, die dann die Arbeiten wie kochen, waschen und sauber machen übernommen hat. Das Leistungsprofil veränderte sich und 1994 wurde für jede Gruppe separat eine Betriebserlaubnis beantragt. Die Mitarbeiter wurden in den Jahren 1992 bis 1997 umgeschult und auf die neuen Bedingungen eingestellt. Jeder absolvierte eine berufsbegleitende Ausbildung. Und Lüllwitz ging mit gutem Beispiel voran. Er selbst studierte noch einmal drei Jahre und qualifizierte sich zum Sozialpädagogen mit dem Zusatz Sozialmanagement. Jährlich müssen alle Mitarbeiter zweimal im Jahr an einer Weiterbildung teilnehmen. Helmut Ohme vom Paritätischen Wohlfahrtsverband lobt in diesem Zusammenhang die Einrichtung für ihren Umgang mit neuen Konzepten und gleichermaßen ihre Risikobereitschaft, neue Wege zu beschreiten.

Heimleiter Lutz Kaufhold spricht von einer interessanten Form der Heimerziehung. "Erst wenn alle Möglichkeiten der Erziehung ausgeschöpft sind, ist die Einrichtung in Gernrode die letzte Stelle. Es geht letztendlich um einen kompletten Umfeldwechsel", sagt Kaufhold. 40 Kinder und Jugendliche werden in Gernrode pädagogisch in verschiedenen Gruppen weiter behandelt. "Egal wie schwierig es wird, es wird niemand rausgeschmissen", ergänzt Peter Lüllwitz. Es gibt die geschützte Wohngruppe "Brücke", die so genannte U-Haft-Vermeidungsgruppe. Der Schwerpunkt liegt hier auf der sozialpädagogischen und therapeutischen Einzelarbeit. In zwei Gruppen erfolgt die heilpädagogische Intensivbetreuung. Da ist noch die Erlebnispädagogik im Selketal, die Erziehungsfachstelle in Friedrichsbrunn, die Jugendwohngruppe "Insel" in Ballenstedt sowie das betreute Jugendwohnen. Jüngstes Kind ist das Projekt "Kutscherhaus", wo die jungen Leute für das Leben nach dem Heim fit gemacht werden. Eng arbeitet das Team der Einrichtung mit Polizei und Justiz zusammen, aber auch mit dem Umfeld und der Stadt Gernrode. Alle Gruppen bekommen Unterstützung vom therapeutischen Bereich, denn die Arbeit passiert in den Gruppen, erzählt Kaufhold, der von einem Auslastungsgrad von 95 bis 100 Prozent spricht.