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Doppelmord in Quedlinburg vor Gericht Doppelmord in Quedlinburg vor Gericht: 25-Jähriger schweigt zu Doppelmord

Von Ingo Kugenbuch 07.05.2013, 08:56
Der Angeklagte Siegfried S. (2.v.r.) wird in Handschellen in den Gerichtssaal geführt. Rechts neben ihm sein Anwalt Carsten Ernst.
Der Angeklagte Siegfried S. (2.v.r.) wird in Handschellen in den Gerichtssaal geführt. Rechts neben ihm sein Anwalt Carsten Ernst. Chris Wohlfeld Lizenz

Quedlinburg/Magdeburg/MZ. - Sinnlose, rohe Gewalt. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben des 25-jährigen Siegfried G. Es beginnt schon mit seiner Zeugung - sein Vater vergewaltigt die eigene Stieftochter.

Der Höhepunkt der Serie aus Schlägereien, Demütigungen und Hass ist eine Orgie der Gewalt am 14. Dezember 2012 in Quedlinburg. Siegfried G. schießt an diesem Abend mit einer Kleinkaliber-Pistole auf seinen Halbbruder Hagen, 40, und seinen Vater Horst, 72. So jedenfalls schilderte er es dem psychiatrischen Sachverständigen Jörg Twele. Vor dem Landgericht Magdeburg, wo am Dienstag das Verfahren gegen den mutmaßlichen Doppelmörder begann, verweigert der Angeklagte bislang die Aussage.

Die drei Männer spielen in der Wohnung des Vaters in Quedlinburg Karten - Knack heißt das Spiel. Die Brüder sitzen auf Stühlen am Tisch, der Vater in Unterwäsche auf dem Sofa. Geht Siegfried noch hinaus, angeblich zur Toilette - wie der Bruder später aussagen wird -, oder läuft es so ab, wie der Angeklagte es dem Psychiater beschreibt? „Er hat einen roten Film vor den Augen gesehen, die Pistole gezogen und geschossen.“ Tatsache ist: Siegfried G. schießt zunächst auf den Bruder. Wie später bei seinem Vater zielt er direkt auf den Kopf. Er trifft Hagen G. an der Schläfe, am Arm und in der Hand. „Hau ab“, ruft der Vater, und der Halbbruder rennt nach draußen, ruft mit dem Handy Notarzt und Polizei.

„Dann schoss er mindestens zweimal auf den verhassten Vater“, so Oberstaatsanwältin Eva Vogel bei der Verlesung der Anklage. Ein Projektil sei in dessen Nasenwurzel eingedrungen, habe das Schlüsselbein durchschlagen und dann den Brustkorb verletzt. Daran sei der Vater gestorben. Die Polizei findet seine Leiche später im Treppenhaus.

Nach den Schüssen auf die beiden Männer trifft Siegfried G. auf seine Stiefmutter Angelika G., 60. Laut G.s Aussage bei Twele fasst sie ihn an den Arm. „Er drehte sich um und schlug ihr ins Gesicht“, so Vogel. Er schlägt demnach solange auf sie ein - vermutlich mit einer Taschenlampe -, bis sie an den schweren Schädelverletzungen im Badezimmer stirbt. Hagen G. kann durch mehrere Operationen gerettet werden.

Bevor er flieht, soll sich der Angeklagte noch die Münzsammlungen von Vater und Halbbruder eingesteckt haben - beide im Wert von jeweils um die 100 Euro. Außerdem sagt Hagen G., dass die Ersparnisse des Vaters verschwunden seien - mehr als 40 000 Euro, die der 72-Jährige immer in einem Brustbeutel und einer Brieftasche bei sich getragen haben soll. Das Geld ist bis heute nicht aufgetaucht.

War etwa Habgier die Ursache für die Gewalttat? Die Aussagen des Angeklagten vor dem Psychiater legen eher nahe, dass der 25-Jährige, der als Kind regelmäßig von seinem Vater verprügelt wurde, sich an dem übermächtigen Patriarchen rächen wollte. Dass Siegfried G. seine Probleme mit Gewalt zu lösen gewohnt ist, zeigt die Liste seiner Vorstrafen, die rund ein Dutzend Taten umfasst - Körperverletzungen, Überfälle, Raub. Als Auslöser der Hass-Attacke nannte G. dem Sachverständigen den Streit um seinen fünfjährigen Sohn. Der lebte nach Siegfried G.s Trennung von seiner Freundin monatelang bei dem 72-Jährigen in Quedlinburg. „Das war für ihn eine große Belastung“, sagt Twele. „Er hat sich Sorgen um seinen Sohn gemacht.“

Möglicherweise bringt es das Fass der Gewalt zum Überlaufen, dass der Vater für den Enkel eine Spielkonsole zu Weihnachten kauft - das hat eigentlich Siegfried G. selbst geplant. Und sieht dann Rot.