Doppelmord in Quedlinburg Doppelmord in Quedlinburg: Urteil wird nach Aussage des Täters vertagt

quedlinburg/MZ - Der Prozess um den Doppelmord von Quedlinburg vor dem Landgericht Magdeburg hat am Donnerstag eine überraschende Wende genommen: Der Angeklagte Siegfried G. brach sein Schweigen und sagte erstmals umfassend zu der Tat aus. Bislang hatte er sich nur gegenüber dem psychiatrischen Gutachter Jörg Twele über die Bluttat vom 14. Dezember 2012 geäußert.
Auf Antrag von Verteidiger Carsten Ernst schickte der Vorsitzende Richter der Schwurgerichtskammer, Dirk Sternberg, jedoch Publikum und Journalisten aus dem Gerichtssaal. „Es geht hier auch um die mögliche Unterbringung des Angeklagten in einer psychiatrischen Anstalt“, begründete der Richter diesen Beschluss nach einer Regelung, die im Gerichtsverfassungsgesetz verankert ist. Hinter verschlossenen Türen wurde der 25-Jährige, der seinen 72-jährigen Vater Horst und die 60-jährige Stiefmutter Angelika ermordet sowie seinen 40-jährigen Halbbruder Hagen schwer durch Schüsse verletzt haben soll, befragt.
Die Prozedur dauerte etwa fünfeinhalb Stunden, nur unterbrochen durch eine kurze Mittagspause. Gegen 16 Uhr öffneten sich die Türen von Saal A23 wieder - und das Verfahren um die Bluttat im Dezember ist nun zurück auf null gesetzt. Nur so ist jedenfalls zu erklären, dass Richter Sternberg fünf neue Verhandlungstermine anberaumt hat. Da ein Schöffe Urlaub nimmt, kann das Verfahren erst am 21. Juni fortgesetzt werden. Das ist die längstmögliche Pause - mehr als drei Wochen Unterbrechung sind nicht erlaubt.
Was hat Siegfried G. hinter verschlossenen Türen gesagt? Hat er seine Schilderung der Taten gegenüber dem Psychiater Twele wiederholt? Dann haben die drei Männer Siegfried, Hagen und Horst G. am Abend des 14. Dezember gemeinsam Knack gespielt. Er habe einen „roten Film vor Augen gesehen und geschossen“, soll der Angeklagte während seiner Begutachtung gesagt haben.
Nach den bisherigen Erkenntnissen schoss Siegfried G. mit einer Kleinkaliberpistole, die er sich zuvor in Bielefeld - wo er seit Mai 2010 wohnt - besorgt hat, zunächst auf seinen Bruder, dann auf den Vater. Beide Male zielte er auf den Kopf. Der Bruder konnte sich schwer verletzt in Sicherheit bringen und sitzt jetzt als Nebenkläger im Gericht, der Vater erlag seinen Verletzungen. Die Polizei fand seine Leiche später im Treppenhaus. Nachdem er das Magazin auf die beiden Männer geleert hatte, traf er im Flur auf seine Stiefmutter. Sie erschlug er mit dem, was er zu greifen bekam - offenbar mit einer Taschenlampe.
Hat Siegfried G. den Tathergang gestern anders geschildert? Möglich wäre es, denn womit soll sich das Gericht sonst bis zum 12. Juli beschäftigen? Dies ist der vorerst letzte Termin. Sternberg wollte zum weiteren Vorgehen der Kammer oder zum Inhalt der Befragung G.s nichts sagen und verwies an den Pressesprecher des Gerichts. Der ist freilich um 16.30 Uhr nicht mehr erreichbar.
Oberstaatsanwältin Eva Vogel kündigte an, dass sie eine Sporttasche des Angeklagten untersuchen und noch ein Gutachten des Landeskriminalamts auswerten will. Von einem zweiten psychiatrischen Gutachten, das G.s Verteidiger Carsten Ernst beantragt hatte, ist mittlerweile keine Rede mehr. Dafür soll der Sachverständige Twele beim nächsten Termin noch einmal gehört werden.
Eine Entscheidung gab es dann aber doch noch: Das Verfahren gegen Siegfried G. wegen gefährlicher Körperverletzung an seinem Halbbruder Hagen soll - aus Prozessökonomie - eingestellt werden.