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Backstube  Backstube in Quedlinburg: Frau Schnittchen macht Pause, weil Baustelle die Kunden vertreibt

Von Sabine Herforth 15.12.2016, 07:42
Manuela Schlitt steht nahezu täglich in ihrer Küche und zaubert leckere Torten oder farbenfrohe Macarons. Im nächsten Jahr widmet sie sich vor allem süßen Leckereien für Hochzeiten und Feiern.
Manuela Schlitt steht nahezu täglich in ihrer Küche und zaubert leckere Torten oder farbenfrohe Macarons. Im nächsten Jahr widmet sie sich vor allem süßen Leckereien für Hochzeiten und Feiern. Chris Wohlfeld

Quedlinburg - Genau 80 Gramm Eiweiß - nicht mehr und auch nicht weniger - landen in der Rührschüssel von Manuela Schlitt. Bei ihren Rezepten ist sie sehr genau, vor allem, wenn sie den Teig für Macarons anrührt.

Seit drei Jahren steht sie in ihrem Bistro und Café „Frau Schnittchen“ am Schlossberg in der Küche. Das französische Baisergebäck bleibt aber jeden Tag eine Herausforderung.

Damit es gelingt, muss sie Temperatur und Konsistenz der Zutaten ständig im Blick haben, und auch der Teig verlangt ihr einiges an Geduld und Fingerspitzengefühl ab. Denn, wenn Mandelmasse und Eischnee zusammenkommen, muss sie den richtigen Zeitpunkt erwischen, damit der Teig nicht zu flüssig und auch nicht zu fest wird.

Ein gut dosierter Klecks Lebensmittelfarbe sorgt dafür, dass die kleinen Leckereien zu einem Hingucker werden. „Diese Farbspiele machen echt Spaß“, verrät sie. Doch am Ende zählen Geschmack und Qualität: „Sie müssen außen knackig sein und innen knatschig.“

Baustelle vertreibt die Kunden

Nur noch bis 22. Dezember können Besucher die Köstlichkeiten in dem kleinen Café am Schlossberg probieren, dann ist erst einmal Schluss. Ein schwieriger Entschluss, der dem wirtschaftlichen Druck geschuldet sei.

„Ich muss sehen, wie ich überlebe“, begründet sie. Nicht, weil das kleine Geschäft gänzlich schlecht läuft. „Es lief von Anfang an selbsttragend“, erklärt Schlitt. Aber die Baustelle am Schlossberg macht es potenziellen Kunden schwer, ihr Café zu finden.

„Das ist eine der schönsten Gassen Quedlinburgs. Die Bewohner tragen ihren Teil dazu bei“, schwärmt sie. Doch mit Beginn der Arbeiten am Hang sei der idyllische Weg zunehmend verwaist.

Für Manuela Schlitt war es ein harter Sommer

Zum Teil sei der Durchgang eingeschränkt gewesen, so dass, trotz fußläufiger Erreichbarkeit, die Wenigsten versuchten, die Gasse zu durchqueren. Das Ergebnis: Die Besucher blieben aus. „So waren das für mich zwei harte Sommer.“

Das Ende von Frau Schnittchen soll dieser Schritt dennoch nicht sein. „Ich bin richtig gern in der Küche“, sagt Manuela Schlitt.

Sie möchte sich im nächsten Jahr verstärkt auf Auftragsarbeiten für Feiern und Hochzeiten konzentrieren. „Für Juli bin ich schon fast ausgebucht“, verrät sie. 30 Hochzeiten für 2017 stehen bereits in ihrem Kalender.

Schon in diesem Jahr habe sie verstärkt Gesellschaften bewirtet und so viele Aufträge abgearbeitet, dass sie Mitarbeiter einstellte. Zusammen mit dem Café, das sich nicht so gut trägt, habe sie gut und gerne 60 bis 70 Stunden in der Küche verbracht. Auf Dauer zu viel, weshalb die Feiern erst einmal Vorrang bekommen. „Ich habe dann mehr kalkulierbare Zeit.“

Chefin hat Leinwand gegen Ofen getauscht

„Ich bin ein sehr kreativer Mensch“, sagt sie über sich selbst. Der erste Blick in der Küche fällt auf ein großes Bild saftig-roter Kirschen. Kein Foto, sondern eines ihrer Werke, bevor sie Pinsel gegen Schneebesen tauschte.

Einige ihrer Malereien waren in verschiedenen Ausstellungen in Quedlinburg zu sehen. Aber beide Leidenschaften waren zeitlich auf Dauer nicht machbar. „Man muss sich für einen Weg entscheiden“, sagt sie ohne Reue.

Im ersten Leben Krankenschwester

Doch bevor sie sich für ihre Leidenschaft auf das Kochen und Backen festlegte und ihr Bistro und Café „Frau Schnittchen“ eröffnete, ging sie lange einer gänzlich anderen Beschäftigung nach.

Über 35 Jahre arbeitete sie als Krankenschwester und widmete sich später als „study nurse“ dem wissenschaftlichen Arbeiten, verfasste verschiedene Artikel in diesem Bereich.

Der Wandel kam mit dem Umzug nach Quedlinburg. Davor lebte die Thüringerin lange in Mainz. Heute das Kontrastprogramm: Während ihr Mann als Arzt in Bad Suderode arbeitet, legt Manuela Schlitt nun anstatt Schwesternkittel ihre Küchenschürze an.

Schnittchen sind immernoch im Angebot

Anfangs wollte sie ihre Kunden mit frischen Salaten und herzhaften Gerichten für die Mittagspause überzeugen. „Das war eigentlich mein Plan“, sagt sie heute. In Großstädten hätte sie selbst oft solche Bistros besucht. Die Schnittchen - daher auch der Name - bietet sie noch immer an.

„Ich backe das Brot selbst und belege es.“ Doch die kleinen Speisen wurden schnell von süßen Sachen abgelöst. Die Besucher wollten lieber Kuchen anstelle kleiner Snacks. „Ich habe mich dann ganz schnell eingelesen in die Kuchen- und Törtchenwelt.“

Manuela Schlitt hat die Rezepte selbst erarbeitet

Ihre Rezepte hat sie sich in dieser Zeit selbst erarbeitet, kennt die meisten aus dem Kopf. „Inzwischen habe ich so viel Erfahrung, dass ich weiß, wie viel Mehl und Backpulver in einen Teig gehören, damit er schön fluffig wird“, sagt sie selbstbewusst. Für Gesellschaften darf es dann auch mal ein herzhaftes Buffet sein.

Was sie in ihrer kleinen Küche zaubert, hält sie oftmals in Fotos fest und teilt diese auf sozialen Netzwerken. Das wird auch in Zukunft so bleiben. Auch von ihrem kleinen Bistro will sie sich nicht gänzlich trennen und plant erst einmal eine einjährige Pause.

„Ich vermute, dass ich danach das Café wieder öffne, denn es wird mir fehlen“, meint Schlitt. Bis dahin kommen Hochzeitsgäste und Geburtstagskinder in den Genuss der bunten Macarons. „Ich habe mal nachgezählt. Ich habe jetzt etwa 10.000 Stück gebacken.“ (mz)

Das französische Baisergebäck gehört für Manuela Schlitt zur Königsklasse des Backens. Aus dem Eischnee wird mit besten Zutaten und Lebensmittelfarbe eine ganz besondere Leckerei - Macarons -, die zu den Hinguckern in der Auslage gehören.
Das französische Baisergebäck gehört für Manuela Schlitt zur Königsklasse des Backens. Aus dem Eischnee wird mit besten Zutaten und Lebensmittelfarbe eine ganz besondere Leckerei - Macarons -, die zu den Hinguckern in der Auslage gehören.
Chris Wohlfeld