Auftaktveranstaltung im Halberstädter Rathaus Auftaktveranstaltung im Halberstädter Rathaus: "Haus der Inklusion" soll Schwerbehinderten helfen

Halberstadt - Fachkräftesicherung durch Inklusion - damit wollen die Agentur für Arbeit, die Kommunale Beschäftigungsagentur und die Akademie Überlingen im Landkreis Harz die bislang vielfach ungenutzten Potenziale für den Arbeitsmarkt ebenso stärker ausschöpfen wie Perspektiven für Menschen mit Handicap schaffen. Dafür gründeten die drei Konsortiumspartner das „Haus der Inklusion“, das gestern in einer Auftaktveranstaltung im Halberstädter Rathaus vorgestellt wurde.
„Gerade die Situation erwerbsloser Schwerbehinderter hat sich bislang kaum beziehungsweise nur unwesentlich verbessert“, sagt Katja Feldmer, Niederlassungsleiterin der Akademie Überlingen in Wernigerode. Dabei seien die Chancen auf dem Arbeits- und Ausbildungsstellenmarkt derzeit so gut wie schon lange nicht mehr.
Doch für Menschen, die als schwerbehindert eingestuft sind, gilt das offenbar nur selten. „Noch immer herrschen in sehr vielen Unternehmen Unsicherheit und Unkenntnis, wie man mit Menschen mit Behinderungen umgehen soll“, sagt die Chefin der Halberstädter Agentur für Arbeit, Heike Schittko. Im Landkreis Harz gebe es derzeit 520 Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten, die nach gesetzlicher Grundlage fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten besetzen sollen. 337 von ihnen würden die so genannte Ausgleichsabgabe zahlen, da diese Stellen nicht oder nur anteilig mit Schwerbehinderten besetzt sind. Götz Bokemüller hält nichts davon, solch eine Abgabe zu zahlen. In einer Podiumsdiskussion berichtet der Leiter des Altenpflegeheimes „Haus Abendsegen“ in Ilsenburg von seinen Erfahrungen.
Bis 1996 habe die Einrichtung die Ausgleichsabgabe gezahlt, seit 1997 nicht mehr. Seitdem beschäftigt das Haus Schwerbehinderte, die in der Küche und im Hauswirtschaftsbereich ebenso arbeiten wie in der Verwaltung. „Wir haben im Schwerbehindertenbereich eine Beschäftigungsquote von zwölf Prozent, mehr als das Doppelte, zu dem wir gesetzlich verpflichtet sind“, sagt Bokemüller. Diese elf Mitarbeiter seien hoch motiviert und nicht häufiger krank als andere Beschäftigte. Dies sei ein Vorurteil, sagt er.
Betroffenen soll „Behördenscheu“ genommen werden
Das „Haus der Inklusion“ soll „dazu beitragen, dass es Normalität wird, verschieden zu sein“, sagt Heike Schittko. Auch die „Behördenscheu“ wolle man den Betroffenen nehmen und habe deswegen außerhalb von Koba und Arbeitsagentur Beratungsbüros eingerichtet: in Quedlinburg im Neuen Weg 22/23 (Tel.: 03946/5 26 36 18, E-Mail: [email protected]), in Wernigerode und in Halberstadt.
Möglich wird dies alles durch das Programm der Bundesregierung zur „Intensivierten Eingliederung und Beratung von schwerbehinderten Menschen“, mit dessen Hilfe das Projekt finanziert wird und laut Heike Schittko bis Ende Januar 2018 gesichert ist.
Fünf zusätzliche Berater, so genannte Coaches, sollen sich unabhängig von der Betreuung durch Arbeitsamt und Koba um die Betroffenen kümmern. Im Vordergrund steht eine individuelle Beratung und Begleitung, die maximal anderthalb Jahre dauern kann. „Wir sagen dem Betroffenen nicht, was er machen soll, sondern wollen gemeinsam das Ziel umsetzen, das er erreichen will“, sagt einer der Coaches. Im „Haus der Inklusion“ habe sie „ehrlich gemeinte Hilfe“ bekommen, sagt eine Betroffene. Der gelernten Bürokauffrau fehlt von Geburt an der linke Unterarm; zur Demonstration nimmt sie ihre Prothese ab; die Zuhörer sind verblüfft. „Die Hürde sind die anderen“, sagt sie. Sie wolle im Job zeigen, was sie könne, „aber die anderen sehen das kaum.“ (mz)
