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Amtsgericht Quedlinburg Amtsgericht Quedlinburg: "Selbstjustiz ist falscher Weg"

Von Petra Korn 23.03.2017, 06:55
Schafe auf einer Wiese
Schafe auf einer Wiese Archiv/Jürgen Lukaschek

Quedlinburg - Ein offen stehendes Tor zu ihrer Weide war für die Schafe von Gerhard L. (Namen geändert) die Einladung, immer wieder auch Nachbargrundstücke zu erobern. Doch eines Abends im Juli 2015 waren vier Muttertiere und fünf Lämmer einfach weg.

Gerhard L. machte sich auf die Suche - erst in seinem Heimatort unweit von Quedlinburg, dann darüber hinaus. Tagelang, während im Ort Gerüchte die Runde machten.

Tiere auf Weide bei Halberstadt gefunden

Am 20. Juli entdeckte Gerhard L. seine Tiere schließlich - auf der Weide eines Schafhalters bei Halberstadt. Die verschwundenen Schafe haben nicht nur in dem kleinen Ort bei Quedlinburg für einigen Wirbel gesorgt.

Mit dem Fall hat sich jetzt auch das Amtsgericht Quedlinburg befasst: Die Staatsanwaltschaft warf Lutz N. und Lisa F. vor, die Tiere in einen Transporter geladen und zu Steven S. gebracht zu haben.

Dieser soll die Schafe übernommen haben, obwohl er gewusst habe, dass die Tiere dem Paar nicht gehörten. Das, so die Anklage, sei Hehlerei.

Schafe waren frech und viel unterwegs

Steven S. schwieg vor Gericht zu den Vorwürfen. Lutz N. schilderte, dass die Schafe - „die sind frech, drängeln und drücken“ - immer wieder auf seinen Pferdekoppeln und sogar in der Reithalle unterwegs gewesen seien und es deshalb auch Beschwerden von Pferdeeigentümern gegeben habe.

„Das geht schon zehn Jahre so“, erklärte Lutz N. „Ich habe Gerhard L. öfter gesagt, pass auf, mach das Tor zu. Er hat das nicht so ernst genommen.“

Neun Schafe im Juli 2015 in einen Transporter geladen und weggebracht zu haben, das wiesen Lutz N. und Lisa F. zurück. Sie hätten an jenem Abend mit einem befreundeten Paar zusammengesessen, den Tag ausklingen lassen. Das befreundete Paar, als Zeugen vor Gericht gehört, schilderte das ähnlich.

Wie der siebte Sinn

Gerhard L. berichtete vor Gericht, wie er seine Tiere gesucht und dabei auch auf den Koppeln von Steven S., den er kenne, nachgesehen habe. „Das war ein siebter Sinn.“

Obwohl er sich sicher gewesen sei, hier seine Tiere entdeckt zu haben, habe er das erst noch einmal gemeinsam mit einem Bekannten - und mit einem Fernglas - überprüft, ehe er die Polizei informiert habe.

Die aber konnte zunächst nichts feststellen : Steven S. hatte den Beamten eine andere Koppel mit Tieren - und zugehörigen Zuchtbüchern - präsentiert. Erst nach erneuter Rücksprache mit Gerhard L. fanden die Beamten dessen Tiere schließlich auf einer anderen Weidefläche.

Nachdem die Polizei ihre ersten Ermittlungen abgeschlossen hatte, durfte L. die Tiere abholen- und nahm dafür mehrere Helfer mit. Übereinstimmend berichteten alle vor Gericht, dass Jenny V., die ehemalige Lebensgefährtin von Steven S., an jenem Abend völlig aufgelöst gewesen sei.

„Sie hat unter Tränen gesagt, dass eine Lisa angerufen und Steven gefragt hat, ob er Schafe haben will, die ihr zugelaufen sind. Und dass Lisa und zwei weitere Personen die Schafe mit einem Transporter gebracht haben“, so einer der Zeugen.

Das deckte sich mit dem, was einer der damals ermittelnden Polizeibeamten in seinem Bericht festgehalten hatte: Steven S. hatte Jenny V. erzählt, eine Nachricht von Lisa erhalten zu haben, die die Schafe dann auch gebracht hätte.

Urteil: 30 Tagessätze zu je 20 Euro

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hatten diese Aussagen „mehr Überzeugungskraft als das pauschale Bestreiten der Angeklagten, als das schematische Alibi, das das befreundete Paar geboten hat“. Das Gericht folgte dem.

Es verurteilte Lisa F. wegen Unterschlagung zu einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen à 20 Euro, Steven S. wegen Hehlerei zu einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen à 10 Euro. Lutz N., so Richterin Antje Schlüter, sei wohl „eingeweiht, vielleicht auch führender Kopf“ gewesen; aber dafür „fehlen die Beweise“. Er wurde freigesprochen.

Tierhalter muss schon aufpassen

In ihrer Urteilsbegründung unterstrich die Richterin, dass ein Tierhalter dafür sorgen müsse, dass andere durch diese Tiere nicht belästigt werden. Dass die Schafe von Gerhard L. „des Öfteren mal auf Pirsch gegangen sind“, das gehe so nicht, machte sie dem Tierhalter deutlich.

Wie sie weiter sagte, sei es ärgerlich, wenn jemand sein Eigentum nicht so sichere, dass Eigentum anderer nicht beschädigt werde. „Aber zur Selbstjustiz zu greifen, ist auch der falsche Weg.“ (mz)