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Adventssamstag  Adventssamstag : Sonderzug "Ludmilla" bringt über 300 Gäste

Von Bianca Müller 27.11.2016, 17:04
Der Sonderzug aus Löbau über Bautzen und Dresden mit über 300 Passagieren kam nach Quedlinburg.
Der Sonderzug aus Löbau über Bautzen und Dresden mit über 300 Passagieren kam nach Quedlinburg. Chris Wohlfeld

Quedlinburg - In manchem weckt das Erinnerungen an einen früheren Alltag, als noch nicht beinahe jeder ein eigenes Auto hatte. Emotionen wie Ankunftsfreude oder Abschiedswehmut. Meint auch Ralph Gruner. Gemeinsam mit 320 Fahrgästen aus Ostsachsen, der Oberlausitz sowie Dresden und Umgebung ist er in einem Adventssonderzug aus Löbau am ersten Adventssamstag nach Quedlinburg gereist.

Ostsächsische Eisenbahnfreunde bieten mehr als nur Adventsmarktbesuch

Punkt sechs Uhr war Abfahrt in Löbau. Für Reiseproviant sorgten ehrenamtliche Helfer. Wozu gibt es schließlich den Mitropa-Speisewagen.

Gruner organisierte den Trip in den Harz, war „im Oktober bereits hier, um vor Ort letzte Gegebenheiten zu klären und auszukundschaften.“ Als stellvertretender Vorsitzender im Verein der Ostsächsischen Eisenbahnfreunde ist das eine seiner Aufgaben. Einfach „nur“ den Weihnachtsmarkt oder Advent in den Höfen besuchen? Nein, die Sonderfahrten des Löbauer Vereins sind bekannt für ihr besonderes Angebot, etwas mehr sollte es schon sein. „Das geschichtliche Angebot in Quedlinburg ist reich, also haben wir mehrere Optionen geboten“.

Bürgermeister von Quedlinburg ermöglicht Gutscheine für Gruppen

Die Zusammenarbeit mit der Stadt lobte er dabei ausdrücklich: „Leider gibt es in Quedlinburg keine Gruppenrabatte, aber das Team um den Bürgermeister war sehr entgegenkommend, wir konnten Gutscheine ausgeben, die im Nachgang über uns abgerechnet werden.“ Schlossmuseum, Stiftskirche oder Fachwerkmuseum im Ständerbau – wie so viele Quedlinburg-Touristen, hatte auch der Besuch aus Sachsen die Qual der Wahl, wie viel Programm in einen Tag passt. „Vorgefertigte Kaffeefahrten gibt es bei uns nicht“, so Gruner, „das mag ich selbst auch nicht.

„Ludmilla" zieht fünf Wagons aus Vereinsbesitz

Für Eisenbahnfans war die Ankunft des nostalgischen Zuges ein kleines Highlight: links und rechts von den Gleisen haben sich pünktlich zu 11.33 Uhr Hobbyfotografen und passionierte Bahner postiert, um ein gutes Foto von Ludmilla zu erhaschen. Die Reisegruppe stach ins Auge, denn gezogen wurden die sieben Wagen von einer alten Großdiesellok 242 aus sowjetischer Produktion – genannt Ludmilla. Während die Lok, umgangssprachlich benannt nach ihrem Fertigungsstandort Luhansk, zu einem privaten Potsdamer Eisenbahnunternehmen gehört und nur geliehen war, stammten fünf Waggons aus dem Vereinsbesitz und haben „mittlerweile auch über 40 Jahre auf dem Buckel“, wie Gruner erzählt.

Besonders der Mitropa-Wagen faszinierte Passagiere und ein paar zufällige Zuschauer auf dem Bahnhof. Da war es dann wieder, das Gefühl von „damals“. „Solche Fahrten“, war Gruner sicher, „machen Industriegeschichte erst erlebbar.“ Auch Ludmillas sind selten geworden auf deutschen Gleisen, nur im Güterverkehr seien noch einige wenige im Einsatz.

Die größte, handbetriebene Drehscheibe Deutschlands in Quedlinburg

Als Zugführer Björn Ladisch, seit zehn Jahren Mitglied im Verein, sein eisernes Gefährt im Bahnhof stoppte, gingen mit einem lauten Klappen überall nach außen Türen auf. Ausgestiegen sind auch Bianca und Mario Knopf. Zusammen mit Mutti Renate sowie den Freunden Christa und Hans Kalauch wird „unsere Rommékasse auf den Kopf gehauen“, erzählte Bianca, „das machen wir schon seit etlichen Jahren so“. Nur das Ziel sei immer ein anderes.

In der Fachwerkstadt waren sie zum ersten Mal. Bevor es zum Ständerbau ging, steuerten die fünf Freunde aus Bischofswerda einen der Adventshöfe an. Nur fünf Minuten entfernt, gab es am alten Lokschuppen von Steffen Schade die größte, handbetriebene Drehscheibe Deutschlands zu bewundern. Als Mario Knopf versuchte, Lok Paulchen mit der Kurbel in Rotation zu versetzen, bemühte er sich vergebens: „Das is doch anjebremst.“ Schade entgegnete mit einem breiten Lachen im Gesicht: „Da is nüscht anjebremst - aber diese Scheibe bewegen wir sonst zu viert.“

Während die Besucher die Adventsstadt erkundeten, hatten Ludmilla und ihre Anhänger – übrigens zusammen mit weiteren Sonderzügen aus Lübeck und Erfurt - Verschnaufpause im Thalenser Hauptbahnhof. Um 17.01 Uhr verließ der Retrozug Quedlinburg – etwa 300 Kilometer hatte er noch vor sich. Der nächste Hex stand da schon in den Startlöchern. Da war es dann wieder, das Gefühl von „heute“. (mz)

An der handbetriebenen Drehscheibe hatte viele Gäste ordentlich zu schaffen
An der handbetriebenen Drehscheibe hatte viele Gäste ordentlich zu schaffen
Chris Wohlfeld