Serie zur Gastronomie Was Naumburger „Euroville“-Koch einst mit einem Nato-General erlebte
In unserer Reihe zu Köchen der Region spricht Tageblatt/MZ diesmal mit Küchenchef Jens Wötzel vom „Euroville“ in Naumburg.
Naumburg/löf. - In einer losen Reihe mit dem Titel „Heimatküche – Heimat Küche“ kommt Tageblatt/MZ mit Köchinnen und Köchen aus der Region ins Gespräch. Vorgestellt wurde bereits Gabriele Schnee vom Gasthaus „Pretzsch“, Hagen Seitz von „Christines Imbiss“, Andreas Burmeister vom „Fischhaus“ sowie Marcus Kreische von der „Villa Ilske“. Diesmal trafen wir mit Jens Wötzel, Küchenchef im Jugend- und Sporthotel „Euroville“ Naumburg, erstmals einen Protagonisten, der in der sogenannten Gemeinschaftsversorgung tätig ist. Zusammen mit seinen Kollegen bereitet der heute 45-Jährige pro Jahr an die 165.000 (!) Essen zu.
So bin ich zum Kochen gekommen:
Offen gestanden hatte ich als naiver 16-Jähriger noch keinen wirklichen Plan, wohin es beruflich einmal gehen könnte. Meine Mutter hat mir da ein bisschen auf die Sprünge geholfen, indem sie mir für meine Wahl eine Art Leitfaden zur Hand gab, bei dem es auch immer um die Frage ging, wie zukunftsträchtig bestimmte Branchen sind. Und weil Köche bekanntlich immer gebraucht werden und ich mich zu Hause in der Küche schon an kleineren Sachen wie Strammer Max oder Kartoffelsuppe versucht hatte, schlug sie mir eine Kochlehre in Detmold, der Partnerstadt meines Geburtsorts Zeitz vor. Und da meine Uroma, die biblische 100 Jahre alt wurde, immer gern von ihrer Zeit als Köchin im Ratskeller Mücheln erzählt hat, hab ich es einfach gemacht und 1996 in Detmold eine Lehre begonnen.
Das waren meine bisherigen Gastronomie-Stationen:
Die Lehre im „Speisekeller im Rosental“ in Detmold war eine richtig harte Schule, es herrschte strenge Disziplin – aber die braucht es auch in diesem Beruf. Ich weiß noch genau, wie ich im zweiten Lehrjahr drauf und dran war, das Ganze hinzuschmeißen, als ich vier-, fünfmal einen Teller mit Salat anrichten sollte und der immer wieder zurückging. Ich habe mich aber durchgebissen und war dann von 26 Prüflingen der beste im praktischen Teil. Nach einem Jahr als Jungkoch im „Speisekeller“ bin ich zur Armee gegangen und habe zunächst in der ganz normalen Truppenküche gearbeitet. Als die merkten, dass ich was auf der Pfanne habe, kam ich ins Offiziers-Casino „Lippische Rose“ in Augustdorf (NRW), wo wir piekfeine Menüs und Buffets zubereitet haben – bis hoch zu Nato-General Wolf-Dieter Langheld. Zurück von der Armee habe ich neun Jahre in der Kösener „Wilhelmsburg“ für Michael Becker gekocht, ehe ich 2015 im „Euroville“ angefangen habe. Es war eine Entscheidung für meine Familie und meine zwei Kinder, einfach für „sozialverträgliche“ Arbeitszeiten. Das Team hier ist dufte, wir haben Spaß miteinander, da lässt sich der unvermeidliche Stress besser schultern.
Das ist die absolute Besonderheit auf unserer derzeitigen Speisekarte:
Naja, da wir hier im „Euroville“ ja Gemeinschaftsversorgung anbieten, haben wir keine Speisekarte im engeren Sinn. Aber unsere Burger-Abende, wenn wir draußen saftige Patties aus 100 Prozent Rindfleisch grillen und mit Bacon, Käse und kandierten Zwiebeln veredeln, kommen bei Schulklassen oder Sportvereinen, die hauptsächlich unsere Gäste sind, immer gut an. Zudem kreieren wir ja auch Buffets für Familien- oder Silvesterfeiern: Da würde ich den selbst gebeizten Lachs hervorheben.
Dieses Gericht koche ich zu Hause, wenn es schnell gehen muss:
Gern ein Chili con Carne oder einen Hackfleisch-Eintopf mit Kartoffeln. Beides geht schnell und ist schön deftig.
Dieses Gericht koche ich zu Hause zu besonderen Anlässen:
Da gibts dann schon mal ein Rinderfilet im Blätterteigmantel oder einen selbst gebeizten Lachs – ein Highlight, das ich für meine Familie zu Weihnachten gemacht habe. Des Weiteren bereite ich zu Anlässen gute Rouladen, einen richtigen Sauerbraten oder einen schönen Wildgulasch zu. Aber ganz ehrlich: Ich koche gar nicht so besonders gern zu Hause, zumal ich da bloß über die ganz normal eingerichtete Küche einer Mietwohnung verfüge. Vieles kann ich nach Feierabend im „Euroville“ auch schon vorbereiten. In unserer Profiküche hier gibt es auch einen gefliesten Fußboden, falls doch einmal etwas daneben gehen sollte (lacht).
Probierfreudig oder traditionell? Als Koch bin ich…:
Sowohl als auch, lautet da meine Antwort. Ich finde Neues und Unkonventionelles klasse, etwa, wenn ich für ein Menü eine superchic angerichtete Lachschnitte mit einer Lachsfarce dazwischen zubereite. Das Auge isst schließlich auch mit. Aber mit gleicher Leidenschaft widme ich mich den traditionellen Sachen, wie beispielsweise richtig ordentlich durchgekochten Königsberger Klopsen.
Die ausgefallenste Kritik, das herzlichste Lob, das ich je im Lokal erhalten habe:
Das war bei einem unserer spektakulären Menüs im Offiziers-Casino, als uns der Oberst aus der Küche hat holen lassen und vor versammelter Mannschaft das Glas auf uns erhob. Ein super Feedback war, noch zu meinen Lehrzeiten, ein dritter Platz bei einem Kochwettbewerb auf der „Internorga“ in Hamburg, einer internationalen Fachmesse für Gastronomie.
Bewertungen im Internet zu Restaurantbesuchen bei mir schaue ich mir…:
Unser Verkaufsteam guckt sich die Bewertungen für das „Euroville“ und somit auch für uns und die Küche des Hauses regelmäßig an und gibt wirklich Substanzielles an uns weiter. Ich selbst lese mir das nicht durch, weil ich mich über etwaige dämliche Kommentare nur ärgern würde. Ich fahre viel auf Heavy-Metal-Konzerte. Und wenn ich dort in den Hotels sehe, was da beispielsweise für 17 bis 20 Euro an Frühstück angeboten wird – dann weiß ich echt nicht, was Leute bei uns, die wir mit einem Budget von sechs, sieben Euro hinkommen, ernsthaft vermissen. Der Beruf ist stressig genug, da muss ich mir derlei Negatives nicht noch reinziehen. Trotzdem will ich natürlich kritikfähig bleiben. Wenn man es ein bisschen filtern kann, ist es in den allermeisten Fällen Klagen auf hohem Niveau.
An diesem Detail erkenne ich, dass ein Restaurant etwas taugt:
Meine Partnerin ist Kellnerin, kommt also auch aus der Gastronomie und hat natürlich ein besonderes Auge auf die Kräfte im Service. Wird überstürzt agiert, ist man zu nachlässig? Da gilt es, mit Menschenkenntnis die berühmte goldene Mitte zu finden. Ich als Koch achte aufs Gesamtbild und bestimmte Details der Speisen, etwa darauf, wie die Saucen aussehen, ob die einen schönen Glanz haben. Auch der Umfang der Speisekarte ist ein guter Anhaltspunkt. Die Beschränkung auf fünf, sechs, acht Gerichte, die freilich in nicht allzu großen Zeitabständen wechseln sollten, verspricht oft Qualität.
Diese drei kleinen Tricks machen jeden Hobbykoch sofort besser:
Ganz generell gesprochen rate ich jedem Hobbykoch erst einmal dazu, keinen Stress aufkommen zu lassen, sondern die Sache locker anzugehen. Lieber selbst ein bisschen herumexperimentieren als einen Starkoch zu kopieren. Beim Braten von Fleisch immer darauf achten, dass man dieses nicht in eine noch zu kalte Pfanne gibt. Ein Tipp für Saucen: Die werden mit ein bisschen Zucker dazu genauso noch „runder“ wie Süßspeisen dank einer kleinen Prise Salz.
Kochshows im Fernsehen…:
Da bin ich ein bisschen zwiegespalten. Einerseits finde ich es gut, wenn der Kochberuf in den Fokus gerückt wird. Andererseits erhalten die Leute womöglich ein verfälschtes Bild, wenn vor allem das Schöne und das Gelingen gezeigt wird und nicht die Realität mit all ihren Herausforderungen – etwa, wie viel Disziplin es braucht.
Dass derzeit wenig junge Menschen Koch werden wollen…:
Ist traurig, wenn man sich vor Augen führt, was für ein angesehener Beruf Koch einmal war. Aber eben auch verständlich, weil die Gastronomie als Berufsfeld einen immer schlechteren Ruf bekommen hat und ja in der Tat einige Entbehrungen mit sich bringt. Dennoch kann und muss man es den Leuten schmackhaft machen. Zur Wahrheit gehört auch, dass man als Koch irgendwann vor einer Grundsatzentscheidung steht: Will ich richtig Karriere machen, mit Stationen weltweit und vielen Reisen, oder hat für mich Familie Priorität? Letzteres womöglich um den Preis, dass man sich dann nicht mehr in den ambitioniertesten kreativen Sphären austoben kann.
Ich koche lieber in einer abgeschlossenen Küche oder offen im Restaurant, so dass ich die Gäste sehen kann:
Ganz ehrlich: Lieber in einer abgeschlossenen Küche, da hast du einfach mehr Ruhe; hinzu kommt der hygienische Aspekt. Und manch einer wird gar nervös, wenn ihm Leute permanent auf die Finger gucken (lacht).
Ein Lebensmittel, welches ich immer in der Küche/im Kühlschrank haben muss:
Knoblauch! Der macht viele Gerichte einfach deftiger.
Welches Lebensmittel/Gericht ich für unterschätzt halte/eine Entdeckung lohnt:
Auf jeden Fall Hülsenfrüchte wie Bohnen oder Linsen. Die werden oft als langweilig empfunden, weil viele Leute die nur von Eintöpfen her kennen. Dabei lassen sich die zu spannenden Sachen verarbeiten, etwa zu Burger-Bratlingen, die nah am Original aus Fleisch sind.
Sollte ich ein für die Saale-Unstrut-Region typisches Gericht der Heimatküche kochen, dann wäre das...:
Grundsätzlich sollte das eines mit ausdrücklich regionalen Produkten sein: Wie wärs mit einem Wels aus Schkölen mit Weißweinsauce?
Ein Küchenutensil, auf das ich nicht verzichten kann:
Mein sogenanntes Tourniermesser, mit dem ich Obst und Gemüse schneide und in Form bringe.
An welchem populären Gericht, welcher verbreiteten Speise man die (handwerklichen) Qualitäten des Koches am besten ablesen kann:
Da nenne ich gleich mehrere: Rouladen sowie Gulasch. Das Fleisch der Roulade muss ordentlich mürbe sein, so dass es im Mund beinahe zerfällt – aber nicht schon auf dem Teller (lacht). Und ein Gulasch sollte richtige Würfel von Fleisch enthalten – nicht bloß zerkochte Fasern. Was mir noch einfällt als ein Gradmesser für gutes Kochhandwerk: Dass die traditionelle Meerrettich-Sauce zum Tafelspitz nicht zu dick und fast wie Brei auf dem Teller daherkommt.
Mein Lieblingslokal in der Saale-Unstrut-Region ist…, weil…:
Wir gehen gern in den Naumburger Bürgergarten, Dort erwartet einen einfach gut gemachtes Küchenhandwerk.
Köche und Köchinnen, die mich inspiriert haben/deren Stil ich mag:
Zum einen mein Lehrausbilder Michael Witt, auch wenn ich den damals manchmal fast ein bisschen gehasst habe. Zum anderen der amerikanische Koch Anthony Bourdain, dessen berühmtes Buch „Geständnisse eines Küchenchefs. Was Sie über Restaurants nie wissen wollten“ ich mit Genuss gelesen und etliches aus der eigenen Arbeit wiedererkannt habe.
Meine allerschönste Koch-Erinnerung:
Ist die Zeit meiner Tätigkeit in dem Offiziers-Casino, die mich richtig geprägt hat. Viele meiner damaligen Kumpels sind ebenfalls Küchenchefs geworden; wir treffen uns heute noch.
Wenn Sie auf eine einsame Insel nur ein Rezept mitnehmen könnten – welches wäre das?
Rezepte brauchen wir Köche doch nicht (lacht). Aber nun im Ernst: Wenn ich ein Rezept mitnähme, dann wäre das jenes für meine Mousse au Chocolat. Ich mache gern Patisserie, habe Freude daran, mich auch dem Thema Desserts und Konditorei zu widmen.
Mein Leibgericht ist:
Da ist zweimal Hackfleisch Trumpf: Chili con Carne und Königsberger Klopse.
Liebe geht durch den Magen, heißt es. Den beruflichen Vorteil in Liebesdingen schon einmal gewinnbringend eingesetzt?
Nö, nur meinen Humor (lacht).
Wie beantworten Sie die zwei ewigen Streitfragen: Nudeln mit kaltem Wasser abschrecken oder nicht? Fleisch vor dem Braten/Garen würzen oder nicht?
Ich habe mal ein halbes Jahr bei einem Italiener gearbeitet, die hätten mich gesteinigt für ein Nudel- „Abschreckungsmanöver“ (lacht). Fleisch, erst recht Kurzgebratenes, immer erst dann würzen, wenn es in der heißen Pfanne schon eine Kruste gebildet hat, sonst zieht es Wasser.
Welcher Koch/welche Köchin der Region soll diesen Fragebogen als eine(r) der nächsten ausfüllen?
Die Küchenchefs Stefan Schmidt von den CK Domstadt-Hotels Naumburg sowie Christian Klieber von der „Orangerie“ in Großjena.