Hintergrund Hintergrund: Mehrere Objekte
Bad Kösen - Felix Kersten hatte es sich hier gut gehen lassen. Das Zwei-Hektar-Grundstück weitläufig und in sonniger Lage, die Villa mit über 800 Quadratmetern Fläche gerade groß genug. Und auch der Weg zur Arbeit fiel denkbar kurz aus. Kersten war Anfang des 20. Jahrhunderts Besitzer des Kalkwerke-Geländes in Bad Kösen, und vermutlich wäre die Villa oberhalb von Lengefeld auch heute noch begehrter Sitz eines Industriellen, wenn da nicht die DDR dazwischengekommen wäre.
Dem Verein Lebenshilfe Naumburg soll es recht sein, denn nach Jugendherberge-Ära und langem Leerstand ist er nun Herr des Hauses - ein Erbbaupachtvertrag mit der Kalkwerke GmbH, die das Areal 2007 von der Stadt Bad Kösen zurückerworben hatte, macht es möglich. Mit dem Verein Lebenshilfe hatte der Betrieb, heute Mitteldeutsche Hartstein-Industrie, einen Nutzer gefunden, für den das Gelände wie maßgeschneidert schien. Das war 2009. Seitdem hat die Lebenshilfe Nägel mit Köpfen gemacht und die Villa zum wohl schönsten Außenposten des Vereins hergerichtet.
Untergekommen ist hier im „Haus Bergstraße“ der Familienunterstützende Dienst, der sich der stunden- oder tageweisen Betreuung und Pflege von Menschen mit geistiger Behinderung annimmt. Ein notwendiger Schritt, wie Geschäftsführer Hartmut Dorsch sagt. „In der Naumburger Fischstraße, wo der Dienst bisher arbeitete, sind wir schlichtweg aus allen Nähten geplatzt, weshalb eine Alternative gesucht wurde. Als ich dieses Gelände hier gesehen habe, war klar ’Das isses’“. Die Lebenshilfe hat dann das Gebäude entkernen und technisch auf den neuesten Stand bringen lassen, Fenster und Dach waren bei alledem noch in Schuss. Entstanden ist ein in überwiegend frischen Farben gehaltenes Haus mit acht weiten und lichtdurchfluteten Räumen samt Bibliothek, TV-, Funktions- und Speisebereich sowie Werkstatt, geschmackvoll wie praktisch gestaltet. Ein Fahrstuhl gehört selbstverständlich auch dazu, schließlich muss das dreistöckige Gebäude - soweit es das zulässt - barrierefrei sein. Seit September ist es in Betrieb, kommen die 100 Klienten der Lebenshilfe aus dem ganzen Burgenlandkreis hierher. Marco Henschler, Diplompädagoge und mit der Hausleitung betraut, setzt dabei ganz auf eine alters- und vom Grad der Behinderung her übergreifende Arbeit, eine, die alle Menschen zusammenkommen lässt. Wenn differenziert wird, dann thematisch. Henschler: „Es gibt welche, die sind für’s Essen zuständig, bereiten also mit ihren Betreuern Speisen in der Küche zu, andere gehen dafür einkaufen oder arbeiten in der Werkstatt, helfen dem Hausmeister.“ 45 Mitarbeiter zählt allein der Familienunterstützende Dienst der Lebenshilfe in Lengefeld, 160 sind es im gesamtem Unternehmen.
Doch längst ist nicht alles gerichtet. Bislang hat die Lebenshilfe 1,3 Millionen ins Gebäude investiert, weitere Aufwendungen zeichnen sich ab. Im Frühjahr sind zunächst die Terrassen und die Fassade dran. Letztere ist aus Beton und soll - weil in Kalksteinoptik gehalten - weder verputzt, noch gestrichen werden. Zu gestalten ist zudem das Gelände, das wie ein Park angelegt werden soll. Erhalten will die Lebenshilfe die beiden mit Halbschalen gedeckten Bungalows, in denen schwerst behinderte Menschen wohnen könnten. Hartmut Dorsch: „Ein Abriss kommt nicht infrage. Die Bungalows sind ein Stück Zeitgeschichte.“
