Handball Handball: Erneut in der Landesauswahl

Naumburg - Manchmal im Leben muss man einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Für Laurens Gnichwitz war die richtige Zeit der 19. Januar 2013 und der richtige Ort Magdeburg. Dort bestritt der 14-jährige Naumburger ein Hallenturnier mit dem FC Carl Zeiss Jena, für den er seit fünf Jahren spielt. Und Gnichwitz muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort auch sehr vieles richtig gemacht haben, denn sein Auftritt in der sachsen-anhaltischen Elbestadt bescherte ihm einen Vertrag in einer noch viel bekannteren Elbestadt: beim Hamburger SV! Das Nachwuchsleistungszentrum des Bundesliga-Dinos hat den Naumburger für drei Jahre verpflichtet.
Schwester spielt in Freyburg
„Ich hatte es erst gar nicht glauben wollen, als mir meine Schwester Maxi, die in Freyburg Fußball spielt, sagte, dass der HSV angerufen hat“, erinnert sich Laurens, der seine sportliche Karriere als Vierjähriger bei den 05ern begann. Doch als wenig später auch bei seiner Mutter Claudia in deren Physiotherapie-Praxis in der Salzstraße das Telefon klingelte und am anderen Ende mit Nachdruck versichert wurde, dass tatsächlich ein Vertreter des Bundesliga-Clubs am Apparat sei, wurde es quasi amtlich: „Die wollen tatsächlich meinen Sohn!“. Claudia Gnichwitz ist heute noch baff.
Dann ging alles ganz schnell. Laurens absolvierte kurz vor Ostern in Hamburg ein Probetraining, wurde an mehreren Tagen von den Nachwuchscoaches bei jeder möglichen Übung gefilmt, und nach eingehender Beratung mit einem achtköpfigen Team, zu dem auch Talentscouts gehörten, erhielt der Naumburger einen unterschriftsreifen Drei-Jahres-Vertrag vorgelegt. „Da mussten wir natürlich nicht lange überlegen. So eine Chance ist wie ein Lottogewinn, so eine Chance bekomme ich nie wieder“, sagt der 14-Jährige, der eigentlich Bayern-Fan ist, aber beteuert: „Gleich danach kam der HSV!“
Beidfüßig, mit gutem Auge
Womit hat Laurens Gnichwitz die Hamburger Scouts denn nun überhaupt so beeindruckt, dass diese ihn fast vom Fleck weg verpflichtet haben? „Na ja, ich bin beidfüßig, das ist sicher ein Vorteil. Man hat mir auch gesagt, dass ich eine gute Spielübersicht, ein gutes Auge habe“, so der C-Junioren-Kicker, der seine Stärken als sogenannter Sechser im zentralen Mittelfeld sieht. Laurens’ Entdecker Sebastian Harms, der mit dem Nachwuchsteam des HSV in Magdeburg zu den Gegnern der Jenaer gehörte, erklärt: „Bei diesem Hallenturnier hatte mich seine Präsenz auf dem Feld beeindruckt, seine Art der Balleroberung.“ Freilich sei Hallenfußball eine spezielle Sache, „aber später bei uns im Probetraining hat Laurens dann ja auch voll überzeugt“. Harms war bislang Trainer der U15 des HSV und ist nun als Koordinator für den Bereich U15 bis U19 verantwortlich.
Ex-Profi Bajramovic wird sein Coach
Man plane mit Gnichwitz im zentralen Mittelfeld, bestätigte Harms und liegt damit auf einer Wellenlänge mit seinem Schützling. Nach nur gut einer Woche Ferien - in Hamburg beginnt die Schule viel früher als in Mitteldeutschland - geht für Laurens Gnichwitz bereits am kommenden Sonntag der Fußball- und bald auch der Schulstress schon wieder los: Einzug ins Internat des Nachwuchsleistungszentrums des HSV, das nur 16 Betten hat, dann das erste Training mit seinem neuen Team, der U15 der Hamburger, die künftig von Zlatan Bajramovic gecoacht wird. Der frühere Bundesliga-Profi (St. Pauli, SC Freiburg, Schalke 04, Eintracht Frankfurt) und 37-fache bosnischen Nationalspieler hat jede Menge internationale Erfahrung - unter anderem in der Champions League - gesammelt.
Und in diesen Genuss wird auch Laurens kommen. Im August nimmt er mit dem HSV an einem Turnier in Samara (Russland) teil. Seine Gruppengegner: FC Chelsea, FC Valencia und Schachtjor Donezk! „Das ist schon etwas anderes als Oberweimar oder Rudolstadt wie in den Punktspielen mit Carl Zeiss“, sagt Laurens’ Vater Sven-Holger Zintsch.
Die Eltern des 14-Jährigen haben großen Anteil an der sportlichen Entwicklung ihres Sohnes. „Ich habe ihn damals, als er neun war, einfach mal zum Training seiner Altersgenossen nach Jena gefahren. Eigentlich wollte man ihn gar nicht mitmachen lassen. Aber dann haben sie sich überreden lassen und ihn gleich behalten“, blickt Zintsch zurück. Fast täglich ist er in den vergangenen Jahren mit seinem und für seinen Sohn nach Jena gefahren; seitdem dieser die dortige Sportschule besucht hat (ab Halbjahr 7. Klasse), sogar zweimal am Tag. „Früh habe ich ihn zur Schule gebracht, dann bin ich nach Naumburg auf Arbeit gefahren, und am späten Nachmittag habe ich ihn wieder abgeholt“, erzählt Laurens’ Vater, der beim Internationalen Bund Köche ausbildet.
Zehnmal Heimaturlaub inklusive
Nach Hause wird der Sohnemann künftig nicht mehr so oft kommen können. Zehn Heimfahrten pro Jahr werden dem talentierten Fußballer - neben Internats-Aufenthalt, Schulbesuch sowie der sportlichen Ausbildung und Ausrüstung - zwar bezahlt. Doch ob der Naumburger diese überhaupt in Anspruch nimmt, ist angesichts des vollen Terminkalenders eines angehenden Profis ungewiss. Aber Laurens’ fußballverrückte Eltern werden ihm sicher - wie bisher - so oft wie möglich hinterreisen.