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Hildebrandt-Tage in Naumburg Ein großes Geschenk

Mit einem fulminanten Programm und international bekannten Musikern feiert die Stadt Naumburg den 275. Geburtstag ihrer einzigartigen Hildebrandt-Orgel.

Von Jana Kainz Aktualisiert: 04.10.2021, 11:18
Originelles Geburtstagsgeschenk: Während  der Hildebrandt-Tage erklingt auf dem Naumburger Marktplatz  ein Bach-Orgelwerk zu einer Lasershow.
Originelles Geburtstagsgeschenk: Während der Hildebrandt-Tage erklingt auf dem Naumburger Marktplatz ein Bach-Orgelwerk zu einer Lasershow. (Foto: Torsten Biel)

Naumburg - Was für ein Geschenk! Zum 275. Jubiläum der Hildebrandt-Orgel in der Naumburger Wenzelskirche hatte dessen Organist Nicolas Berndt ein besonderes Geburtstagsgeschenk gepackt: ein mit vielen Höhepunkten gespicktes dreitägiges Orgelfestival: 2021er-Hildebrandt-Tage „Geburtstag einer Königin - 275 Jahre Hildebrandt-Orgel“. Während dieser gab es am Wochenende viele Beschenkte.

Hildebrandttage Naumburg, Wenzelskirche "Mit Pauken und Trompeten", Solisten und Leipziger Cantorey, Sächsisches Barockorchester, Leitung Thomaskantor i. R. Gotthold Schwarz
Hildebrandttage Naumburg, Wenzelskirche "Mit Pauken und Trompeten", Solisten und Leipziger Cantorey, Sächsisches Barockorchester, Leitung Thomaskantor i. R. Gotthold Schwarz
(Foto: Torsten Biel)

Sonnabendnacht traten sich sichtlich beschenkt gefühlte Gäste den Heimweg an, klang hier und da von Mobiltelefonen Johann Sebastian Bachs Toccata und Fuge d-Moll. Auf dem in Dunkelheit getauchten Marktplatz hatten Jung und Alt zuvor erlebt, wie Unmögliches möglich wurde. Für knapp zehn Minuten verschmolzen zwei weit auseinanderliegende Epochen, denn zu einer beeindruckenden Laser- und Pyrotechnikshow erklang erwähntes Orgelwerk. Nicolas Berndt hatte die Bach-Komposition zuvor auf der jubilierenden Orgel eingespielt. So gelang es ihm, das in seiner Art weltweit einzigartige Instrument aus der Stadtkirche heraus zu den Naumburgern zu tragen, für die die Orgel einst bei Zacharias Hildebrandt in Auftrag gegeben worden war. Die Orgel-Lasershow wurde ein sehr bewegendes Erlebnis, für das die kleinen wie großen Geburtstagsgäste mit staunenden, strahlenden Augen unter den tanzenden Laserstrahlen enger zusammengerückt waren.

Das Sächsische Barockorchester und Solisten der Leipziger Cantorey musizieren und singen vor der weltberühmten Hildebrandt-Orgel. Als einzige authentisch erhaltene und größte Bach-Orgel ist sie von herausragender Bedeutung.
Das Sächsische Barockorchester und Solisten der Leipziger Cantorey musizieren und singen vor der weltberühmten Hildebrandt-Orgel. Als einzige authentisch erhaltene und größte Bach-Orgel ist sie von herausragender Bedeutung.
(Foto: Torsten Biel)

Geradezu majestätisch war das Jubiläum am Vormittag eröffnet worden - mit Fanfarenklängen, die das Blechbläserensemble der Weimarer Hochschule für Musik Franz Liszt durch die Stadt klingen ließ. Bis zum großen Abendkonzert feierten die Freunde der Orgelmusik mit Organistin Mona Rozdestvenskyte in St. Wenzel und mit dem Musikernachwuchs der Landesschule Pforta in der Klosterkirche das Jubiläum.

Beschenkte gar auf mehreren Seiten gab es im Abendkonzert „Mit Pauken und Trompeten“. Solisten der Leipziger Cantorey und das Sächsische Barockorchester stimmten, dirigiert von Thomaskantor i.R. Gotthold Schwarz, vornehmlich barocke Töne an, wobei in der Pause ein besonderer Tropfen gereicht wurde: Orgelwein aus den Fässern des Landesweinguts Kloster Pforta. So auch genüsslich beseelt ging es in den zweiten Konzertteil, während dem vom Altar aus die Sänger und Musiker quasi der Orgel ein Ständchen brachten. Die Gäste waren sichtlich fasziniert und spendeten stehend langanhaltend Applaus.

Dirigiert das Sonnabendabendkonzert: Thomaskantor i. R. Gotthold Schwarz.
Dirigiert das Sonnabendabendkonzert: Thomaskantor i. R. Gotthold Schwarz.
(Foto: Torsten Biel)

Der Beifall galt auch dem im ersten Konzertteil zu hörenden Orgelspiel Nicolas Berndts. Er ließ die Jubilarin teils im begleitenden Spiel erstrahlen. 275 - und kein bisschen leiser oder schwach, so präsentierte er die Hildebrandt-Orgel. Ihrem zauberhaften, raffinierten Klang samt dem glöckchengleichen Spiel des sich drehenden goldenen Zimbelsterns lauschte manch Geburtstagsgast mit geschlossenen Augen und verzückter Mimik. So auch Markus Büning und dessen Frau Susanne - seit einem Jahr Wahl-Naumburger. Vor zwei Wochen habe er dem Orgelspiel in der Leipziger Thomaskirche gelauscht und sei etwas enttäuscht gewesen. „Es ist kein Vergleich zu unserer Hildebrandt-Orgel“, meinte der gebürtige Münsterländer, der kaum ein Mittagskonzert verpasst. Beeindruckt waren er und seine aus Magdeburg stammende Frau, vom Konzertkonzept: „Von der Renaissance seicht in den Barock überzugehen - traumhaft“, schwärmten sie. Angetan waren beide wie manch anderer vor allem vom Tenor und dem Spiel des Orchesters, „Ich verstehe nicht“, meinte Markus Büning schließlich, „dass unsere Hildebrandt-Orgel nicht ebenso wie der Dom ein Weltkulturerbe ist - zumal sie lebendig ist.“

Festlicher Festivalauftakt  mit Fanfaren, die vom  Wenzelsturm aus erklingen.
Festlicher Festivalauftakt mit Fanfaren, die vom Wenzelsturm aus erklingen.
(Foto: Torsten Biel)

Ein Blick in die Geschichte: Mit Zacharias Hildebrandt schloss der Rat der Stadt Naumburg 1743 mit 52 Stimmen den Kontrakt über den Bau einer neuen Orgel in das in St. Wenzel vorhandene, um 1705 von Zacharias Thayßner erbaute Orgelgehäuse ab. „Vorher“, heißt es auf der Website der Stadt, „war von J.S. Bach ein Gutachten zur Orgel eingeholt worden, ’welches auch gütigst vor genehm’ gehalten wurde. Man kann also mit Gewissheit annehmen, dass Bach bei der Aufstellung der Disposition beratend und anregend zur Seite gestanden hat, und dass dieses Werk seiner Vorstellung von einer schönen und großen Orgel entsprochen hat. Am 27. September 1746 nehmen J.S. Bach und Gottfried Silbermann die Prüfung der fertigen Orgel vor und bescheinigen Hildebrandt gute Arbeit.“

Über die Jahre waren Veränderungen vorgenommen worden. 1992 wird „im Ergebnis des Internationalen Symposiums ’Die Hildebrandt-Orgel der Wenzelskirche in Naumburg - Geschichte, Bedeutung und Zukunft’ die Empfehlung ausgesprochen, dass eine grundlegende Restaurierung und Rückführung auf den Zustand von 1746 erfolgen soll“, heißt es auf www.hildebrandt-orgel.de. 1996 wurde schließlich das Rückpositiv wieder spielbar und nach jahrelanger Restaurierung die Orgel Ende 2000 wiedereingeweiht.