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Christian Fürchtegott Gellert Christian Fürchtegott Gellert: "Wenn Lieb und Pflicht dich nicht beleben"

Von Albrecht günther 02.03.2015, 09:32
Sind die Macher vor Ort: Siegfried und Wolfgang Boy (r.), hier mit Gästen in ihrem Weinhaus.
Sind die Macher vor Ort: Siegfried und Wolfgang Boy (r.), hier mit Gästen in ihrem Weinhaus. Archiv Lizenz

Natürlich wohnt sie ganz oben. Und Lift ist Fehlanzeige. Fünfte Etage, hier öffnet Melanie Boy und wirkt so, als hätte sie gerade erst ihre Krone abgelegt. 2002/03 war sie Gebietsweinkönigin von Saale und Unstrut. Sechs Jahre nach ihrer Cousine Nancy. Und die Zeit scheint spurlos an der mittlerweile 33-Jährigen vorbeigegangen zu sein. Okay, etwas Lebenserfahrung schaut aus den klugen, flinken, blauen Augen. Zwei Kinder hat sie inzwischen, einen Sohn, der in die Schule kommt und eine Tochter, 16 Monate alt. Und eigentlich sollte sie jetzt Müller heißen. Wie ihr Mann Axel. Doch „Melanie Müller“ fände sie derzeit doch arg besetzt. So also bleibt sie nominell ein Junge. Und kann ihren Namen bestens für das Familienprojekt der Boys einbringen. Denn natürlich kann sie auch ein nur 20 Ar großes Weinhaus nicht von der Spree aus leiten. Aber den Boy’schen Betrieb nach ihrem Vater Siegfried oder dessen Bruder Wolfgang zu benennen, hätte beileibe nicht den Charme verbreitet, wies es eben Melanie kann. Und, ja, sie sei die Chefin. Aber den Job machen die Jungs.

Wer sind diese Jungs? Zunächst mal der Patriarch Friedrich Karl. Der Senior wacht zurückhaltend darüber, was seine Sprösslinge so treiben. Und richtig unzufrieden kann er nicht sein, sonst würde er wohl eingreifen. So trifft man ihn meist tiefenentspannt und stolz.

Wolfgang, der Bauherr, hat scheinbar überall seine Finger drin und wirkt doch immer gern so jungenhaft naiv. Keine Feier ohne Meier heißt wohl nur des Reimes wegen so. Und natürlich Siegfried, der omnipräsente Weinbaupräsident, Agrargenossenschafts-Boss in Gleina, Vorstandsvorsitzender der Winzergenossenschaft, Ex-Bauern-Präsident. Und ich habe bestimmt einiges vergessen. Doch am liebsten sieht er sich in seinen Weinbergen einsam werkeln. Das ist sein Paradies, seine Rückzugsmöglichkeit. Doch als Obergenosse kann man nicht einfach eigenen Wein an den Kellern in der Querfurter Straße Freyburgs vorbei machen. Und so finden eben auch die meisten Trauben, die auf Boy’schen Flächen reifen, den Weg in die Winzergenossenschaft. So stammen zum Beispiel alle Beeren für den Sauvignon Blanc von Boys. Aber wenn der langjährige Kellermeister des Hauses es hinkriegt, für die Genossen zu arbeiten und trotzdem ein eigenes Gut nebenher zu betreiben - Rudolf Thürkind gab dem Betrieb den Namen seiner Frau - so müsste das der Chef doch auch hinkriegen.

Mit der Premiere von Boys Weinausschank (ich verzichte auf das original verwendete „’“, weil ich nicht anders kann) reifte immer mehr der Gedanke, dort eben nicht „nur“ Weine der Winzervereinigung auszuschenken. Die von Anfang an kredenzten Tropfen aus den Lauchaer Kellern waren Experimente von Siegfrieds Sohn. Gern auch mal Rotwein mit Holz-Chips aufgehübscht. Damals nicht ganz legal, heißt das heute kreativ.

Nun, da die beiden kleinen Flächen von je zehn Ar Melanie gehören, können die Trauben auch separat verarbeitet werden. Und auch das bleibt in der Familie. Melanies Cousin übernimmt den Ausbau. Auch in Laucha. Johannes Beyer ist der Neffe von Melanies Mutter. Und der hatte schon seinen ersten Wein mit 14 Jahren aus Trauben seines Onkels gekeltert. Einen Grauburgunder.

Jetzt macht er in der Alten Zuckerfabrik in Laucha eben auch die Weine für Melanie und „die Jungs“.

Roten Gutedel, Riesling, Portugieser, einen Rosé vom Regent und einen Cabernet Dorsa. Dass das alles kleine Mengen sind, dürfte sich aus der Gesamtfläche ergeben. Daher ist der Wein eigentlich auch nur im Gutsausschank im Dorndorfer Rappental zu haben. Der öffnet offiziell am 4. Mai wieder seinen Betrieb mit dem Weinfest. Doch wer vorher dort vorbeikommt und jemanden antrifft, wird sicher nicht weggeschickt. Eigentlich ist ab April wieder geöffnet, Weinproben kann man auch sonst ordern, Familienfeiern sind möglich oder Weinbergswanderungen oder –führungen (alles natürlich nach Voranmeldung).

Und mit etwas Glück kann man nicht nur den Weinbaupräsidenten beim Werkeln an den Rebstöcken oder an der Tröpfchenbewässerung, die er als einer der ersten im Gebiet anschaffte, sehen. Mit noch etwas mehr Glück trifft man sogar Melanie an, die, wann immer es geht, in der alten Heimat vorbeischaut. Auch um zu kontrollieren, dass „die Jungs“ alles zur vollsten Zufriedenheit erledigt haben.

Melanie Boy wird als Saale-Unstrut-Weinkönigin 2002/2003 gekrönt.
Melanie Boy wird als Saale-Unstrut-Weinkönigin 2002/2003 gekrönt.
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