1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Naumburg
  6. >
  7. BURGSCHEIDUNGEN: BURGSCHEIDUNGEN: Dem Schloss zu Füßen

BURGSCHEIDUNGEN BURGSCHEIDUNGEN: Dem Schloss zu Füßen

Von GERD STÖCKEL 30.05.2010, 15:24

So stiehlt das Schloss dem Dorf noch immer ein wenig die Schau. Dabei gibt es im Ort viel zu entdecken. Wenn sich frühere Jahrgänge der Polytechnischen Oberschule Burgscheidungen zum Klassentreffen zusammenfinden, gehört fast immer ein Besuch in der Heimatstube dazu. Und auch manch familiäre Festgesellschaft spaziert zwischen Mittagessen und Kaffeetafel erst einmal zum kleinen Museum am Schulplatz. Gerdi und Helmut Schmidt, die beiden ehemaligen Lehrer, haben es über Jahrzehnte aufgebaut. Unter den zahllosen Zeugnissen früheren dörflichen Lebens, die Nostalgiker in Entzücken versetzen, finden sich auch unscheinbarere Exponate. Die Schmidts schätzen auch diese. An manches davon nämlich knüpft sich eine Lebensgeschichte, wie es sie häufig gab im vorigen Jahrhundert. Ein Lehmziegelstein zum Beispiel. Ein älterer Dorfbewohner hat ihn einst der Heimatstube gestiftet. Aus derartigen Ziegeln habe er nach dem Krieg das Neubauernhaus für sich und seine Familie gebaut. Oder ein transportabler, eiserner Herd. Kochhexe wurde der genannt. Der war in der Nachkriegszeit weit verbreitet.

Manche Familie, die ihre Heimat verlassen musste, haben damit am Straßenrand ihr Essen gekocht, weiß Gerdi Schmidt. In Burgscheidungen haben in den Jahren nach dem Krieg viele Flüchtlinge und Vertriebene eine neue Heimat gefunden. Schilderungen ihres Schicksals hat die Heimatforscherin in einem Buch der Erinnerungen zusammengefasst, vorerst als ein mit Fotos ausgestattetes Computermanuskript, doch die Autorin hofft, dass irgendwann eine gedruckte Publikation daraus wird.

Und auch einem Maler-Leben spüren die Schmidts nach: Gustav Klatte (1914-1970). In mancher guten Stube hier hängt noch eines seiner Bilder. Landschaften und Tiermotive, die er von Fotografien und Postkarten abmalte. Klatte, dessen Beruf es war, Wände zu streichen, war aus dem Kriege mit nur einem Arm zurückgekehrt und verdiente sich mit dem Fertigen von Bildern ein Zubrot. Fachleute bestätigen: Aus Klattes Bildern spreche eine beachtliche Fähigkeit zum richtigen Einsatz der Farben. Schmidts haben Fotos seiner Arbeiten in einem Album zusammengestellt. Nun schwebt ihnen eine Dokumentation vor, die das Werk dreier sehr unterschiedlicher Maler beleuchtet, die in Burgscheidungen und seinem Ortsteil Tröbsdorf lebten - Gustav Klatte, Gerhard Knespel und Wolfgang Bandur.

Ist die Heimatstube vorerst ein Geheimtipp für Insider, bleibt Burgscheidungens Gotteshaus in kaum einem Nachschlagewerk unerwähnt. So zieht es historisch Interessierte, die der Unstrut-Radweg durchs Dorf führt, nach dem Blick auf Schloss und Schlosspark oft auch in die Kirche. Das Bauwerk, das aus der spätromanischen Zeit stammt, ist mit bemerkenswerten Gedenksteinen an Verstorbene aus der Familie von Wiehe ausgestattet. Sie gelten als Meisterwerke eines Renaissance-Bildhauers. Das Gotteshaus ist als offene Kirche jedermann zugänglich. Anfang der 90er Jahre hat die Kirchengemeinde begonnen, es Schritt für Schritt zu sanieren. Manches wurde in Eigenleistung ausgeführt. "Da haben auch viele geholfen, die man sonst nicht in der Kirche sieht", freut sich Oliver Buddrus. Der 43-Jährige wirkt mit im Gemeindekirchenrat, seit er 18 ist. Er und seine Frau gehören mit Dieter Kirchner und Horst Zwanzig zu denen, die sich besonders für das Gotteshaus einsetzen. Nun steht als nächstes die Reparatur der Heerwagen-Orgel an, erläutert Karin Buddrus. Und Marianne, die ältere ihrer beiden Töchter, die fleißig Klavier übt, freut sich schon jetzt darauf, irgendwann einmal auch die Orgel spielen zu dürfen.

Doch rührig ist man auch anderswo im Dorf. Ein Gebäude am Gemeindesaal, frisch saniert und in kräftigem Rot, zieht die Blicke auf sich. Demnächst, so gibt Bauherr Maik Jaki Auskunft, wird hier eine Fahrradpension eröffnet. Über fünf Jahre hat er am Umbau des Gebäudes gearbeitet, das früher einmal ein Schießstand war, später als Kegelbahn dienen sollte. Dass die kräftige Farbgebung und weibliche Silhouetten auf einigen der Fenster die Phantasie der Leute im Dorf beflügeln, irritiert den Bauherrn nicht: "Graue Fassaden gibt es hier doch noch genug", findet er.

Und auch Neubürger haben sich angesiedelt. Familie Becker hat 2002 das frühere Wohnhaus des Gutsverwalters erworben, das zuletzt die Schule beherbergte. 2007 sind die Beckers eingezogen. Nun haben die drei Kinder jede Menge Platz. Er sei auf dem Dorfe aufgewachsen und brauche diese Art Bewegungsfreiheit, verrät Christoph Becker. Die Sanierung des Hauses ist eine Lebensaufgabe. Immerhin, mit gesäuberter Sandsteinfassade und stilgerechten Holzfenstern ist das Gebäude inzwischen zu einem Schmuckstück fürs Dorf geworden.