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Wertvolle Chroniken Wertvolle Chroniken: Dom lässt das Mittelalter wieder auferstehen

Von Dirk Skrzypczak 05.03.2017, 14:01
Im Innenhof des Domkapitels in Merseburg wurde 2006 der Thietmar-Brunnen errichtet - als Erinnerung an einen großen Führer im Mittelalter.
Im Innenhof des Domkapitels in Merseburg wurde 2006 der Thietmar-Brunnen errichtet - als Erinnerung an einen großen Führer im Mittelalter. Peter Wölk

Merseburg - Der Merseburger Dom soll im nächsten Jahr wieder das Zentrum einer großen Ausstellung sein. Und die Vereinigten Domstifter stehen vor einer Herkulesaufgabe, denn sie wollen das Leben von Bischof Thietmar reflektieren, dem die Welt eines der wichtigsten Zeugnisse des Mittelalters verdankt, die „Thietmari Merseburgensis Episcopi Chronicon“, einer der wertvollsten Chroniken der Menschheit. Thietmar war 1018 gestorben - vor bald 1.000 Jahren.

Thietmar Chroniken sollen Mittelalter in Merseburg greifbar machen

Dieser Umstand freilich kommt den Organisatoren der Ausstellung, die von Mitte Juli bis Anfang November 2018 geplant ist, sehr wohl entgegen. Die Zahl 1.000 hat etwas Magisches, weil Raum und Zeit mit der gefühlten Ewigkeit verschmelzen. „Wir wollen das ottonische Mittelalter erlebbar machen. Das geht mit Thietmar nur in Merseburg“, sagt Stiftsarchivar Markus Cottin.

Ein Personenkult soll die Ausstellung aber keineswegs sein. „Thietmar hat vor 1.000 Jahren von hier aus die Welt vermessen. Er schildert das Leben, die große Politik, die Kulte der Slawen, blutige Schlachten. Und er hat uns seine Träume hinterlassen“, sagt Cottin - daraus könne man faszinierende Sachen ziehen und Bilder entwerfen, die für Besucher das reale Mittelalter greifbar machen.

Bombenabwurf 1945 löschte Vermächtnis des Bischofs aus Merseburg fast völlständig aus

Die Vorbereitungen auf das Ereignis haben längst begonnen. Natürlich darf die Chronik nicht fehlen. Das Original wird in der sächsischen Landesbibliothek in Dresden sicher aufbewahrt. Oder besser gesagt, die Überreste, die noch erhalten sind.

Im Februar 1945 hatten alliierte Luftverbände die Stadt angegriffen. Eine Bombe traf das Japanische Palais am Elbufer. Dort lagerten Schriften von unschätzbarem Wert, in einem Tiefkeller auch Thietmars Chronik.

Die Explosion riss das Palais auf, Wasser drang ein und überspülte vermutlich auch das Dokument. Schrift und Buchschmuck wurden ausgewaschen. Bakterien und Schimmel gaben dem Pergament den Rest.

Warum Merseburg auf Originalstücke der bedeutenden Chronik des Bischofs hoffen kann.

Von Thietmars Vermächtnis sind nur elf Doppelblätter erhalten. Ohne die 1905 angefertigten Fotokopien der Chronik wäre die originale Überlieferung für immer verloren gewesen. „Wir sind mit der Landesbibliothek in Verhandlungen. Es sieht gut aus, dass wir die noch vorhandenen Originalstücke der Chronik in der Ausstellung zeigen werden“, sagt Cottin.

Auch eine Überarbeitung von Thietmars Werk aus dem 15. Jahrhundert, die sich heute in Brüssel befindet, soll nach Merseburg kommen. „Man kann Thietmar natürlich nicht so daherreden lassen, wie es im Buch steht. Aber wir wollen anhand seiner Schilderungen auf das Mittelalter blicken: die Politik, das Reich mit Kaisern und Königen, die Kultur vor 1.000 Jahren.“

Was die Ausstellung über den Bischof von Merseburg erzählen soll

Interaktiv soll das Ganze sein. An den Details wird noch gefeilt. Dass 30 Orte Thietmar ihre Ersterwähnung verdanken, darunter Leipzig und Tangermünde, wird auch thematisiert.

Und mit Sicherheit wird ein Ereignis nicht fehlen. Thietmar war es, der am 18. Mai 1015 die zwölf Grundsteine für den Merseburger Dom legte.

Dass seine Stadt einer Kathedrale würdig ist, stand für ihn außer Zweifel. Thietmar glaubte, dass kein geringerer als der glorreiche römische Kaiser Julius Cäsar Merseburg gegründet haben musste und sie nach dem Kriegsgott Mars benannte. Ein Irrtum. Bis Merseburg hatten es die Römer nämlich nicht geschafft. (mz)