Trotz Einzeltraining Trotz Einzeltraining: Aktuelle Situation zwingt Fitnessstudios-Betreiber in die Knie

Merseburg - Normalerweise geht Doreen Zintsch zwei- bis dreimal pro Woche ins Relax-Fitnessstudio. Die Wallendorferin muss dabei nicht auf die Uhr schauen, trainiert so lange sie mag. Doch jetzt ist alles anders. „Es gibt einen Stundenplan, in den ich mich eintrage“, erzählt die 39-Jährige. Dann hat sie genau 60 Minuten Zeit, um zu trainieren - ganz allein in dem großen Raum.
1:1-Training in Fitnessstudios sind erlaubt
Nur Trainerin Adrienn Baberski, die sie vorher persönlich an der verschlossenen Eingangstür im Erdgeschoss abgeholt hat, ist mit Abstand und Maske dabei. Mehr ist nicht erlaubt. Kein Duschen nach dem Training, kein Treffen mit anderen Leuten, die ebenfalls eine Stunde gebucht haben. „Ich bin trotzdem froh, dass wenigstens das geht. Sonst würde mir etwas fehlen.“
Eigentlich ist laut gültiger Verordnung Sport auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen sowie Schwimmbädern untersagt, wie der Landkreis auf Anfrage bestätigt. Von dieser Regelung ausgenommen, sei allerdings der „kontaktfreie Individualsport allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand“. In einem Papier vom November 2020 hatte auch das Ministerium für Inneres und Sport erklärt, dass 1:1-Training in Fitnessstudios und selbst Kontaktsport unter Einhaltung bestimmter Regeln erlaubt sind.
Ärger um nicht wahrgenommene Termin von Trainingseinheiten
Fitnessstudios wie das Relax am Merseburger Neumarkt und die Fight Academy Merseburg, die sich im selben Haus befindet, dürfen also öffnen. Wochentags kann von 10 bis 21 Uhr trainiert werden. Auch fürs Wochenende kann man reservieren. Hygienevorschriften werden strikt eingehalten.
Dabei ist das Desinfizieren von Geräten keine Erfindung aus Corona-Zeiten – das war in Fitnessstudios schon immer gang und gäbe. „Es ist gut, dass es so ist, aber es ist für uns trotzdem schwer“, sagt Ingo Baberski, der die Fight Academy leitet, während Ehefrau Adrienn fürs Fitnessstudio zuständig ist. Besonders ärgerlich sei es dann, wenn jemand zu einer verabredeten Trainingsstunde nicht auftaucht.
Viele Kündigungen: Fitnessstudio durch Lockdown in die Knie gezwungen
Der erste Lockdown habe schon richtig reingehauen. „Und wir dachten, wir schaffen das. Dass es so heftig wird, hätten wir niemals vermutet.“ Seit dem 1. März 2020 verzeichnet das Paar Einbußen in Höhe von 40 Prozent. Viele Mitglieder hätten gekündigt. Die Geräte müssen trotzdem abbezahlt werden. Die Trainer müssen deshalb gefühlt mehr als 200 Prozent geben, um über die Runden zu kommen.
Während Ingo Baberski normalerweise fünf Kampfsportkurse pro Woche mit je 12 bis 18 Kindern gibt, sind es jetzt etwa 30 1:1-Kurse wöchentlich. „Das ist nicht nur anstrengend, wir müssen die Kinder auch immer motivieren. Das machen sie ja sonst untereinander beim gemeinsamen Training. Das fällt jetzt komplett weg“, sagt der 46-Jährige.
Wegen Corona-Pandemie Nebenjob im Pflegebereich
Adrienn Baberski macht Einzeltrainings an Geräten wie mit Doreen Zintsch oder gibt Einzelkurse für Spinning oder Tae Bo, eine Fitnesssportart mit asiatischen Kampfsportelementen. „Im vergangenen Jahr hatten wir Videokurse ausprobiert, aber das mögen die Leute nicht so richtig.“
2012 hatten sie und ihr Mann das Studio am Neumarkt übernommen und sich damit einen Traum verwirklicht. Anfangs seien sie auf Hartz-IV angewiesen gewesen, weil sie so wenig Kunden hatten. Aufgrund der aktuellen Lage hat sich Adrienn Baberski bereits einen zweiten Job bei einem Pflegedienst gesucht. Aktuell arbeite sie im Bereich Betreuung, mache aber eine Qualifizierung.
Fitnessstudio-Betreiber sehen kein Licht am Ende des Tunnels
„Eigentlich hatten wir vorgehabt, unser Studio in diesem Jahr zu vergrößern, aber das muss jetzt leider ausfallen“, sagt Ingo Baberski, der immer noch nicht verstehen kann, was gerade passiert. „Januar, Februar, März - die Monate nach dem Jahreswechsel - das ist normalerweise die Zeit, in der es bei den Fitnessstudios richtig boomt.“
Im Augenblick sehe man nicht einmal Licht am Ende des Tunnels. „Wenn ich mich so umschaue, sehe ich einige Studios, die das nicht überleben werden. Leider.“ Was ihn ärgert: „Wir haben das Gefühl, dass die Bundesregierung ihre Entscheidungen aus dem Bauch heraus trifft.“ (mz)