Saalekreis Saalekreis: Gratwanderung für das Jugendamt
Merseburg - Das Kindeswohl steht immer im Vordergrund. Anzeichen, dass dies gefährdet sein könnte, sind vielfältig: blaue Flecken, fehlende soziale Kontakte oder wenn Kinder stundenlang allein gelassen werden. Ob es tatsächlich eine Gefährdung ist, liegt im Ermessen der zuständigen Sozialarbeiter. Eine Gratwanderung, die nicht immer einfach ist.
Währendder Saalekreis im vergangenen Jahr für 60 Inobhutnahmen insgesamt 158 000 Euro ausgegeben hat, musste er 2013 339 000 Euro für 77 Aufnahmen zahlen. Die Zahlen schwanken zum einen, weil nicht ersichtlich ist, wie lange die Kinder in der Obhut des Jugendamtes waren. Gleichzeitig waren einige schwer traumatisierte Kinder mit ergänzende Leistungen in Pflegefamilien. Daher entfielen allein 129 000 Euro der Kosten auf Pflegefamilien. Besonders im Jahr 2012 wurden viele Kinder und Jugendliche in Obhut genommen (121). 2011 waren es deutlich weniger gewesen: Nur 72 Fälle.
60 Mal wurde im vergangenen Jahr die Entscheidung getroffen, Kinder und Jugendliche aus ihren Familien zu nehmen und in die Obhut des Jugendamtes im Saalekreis zu überstellen.
Fälle werden schnell geprüft
„Die Zahl ist im Vergleich zum Jahr 2013 leicht gesunken, aber von einem Trend möchte ich nicht sprechen“, sagt Monika Schröpfer, zuständige Sachgebietsleiterin im Jugendamt. Aus verschiedenen Gründen kann sich die Statistik verändern. Beispielsweise war sie im Jahr 2012 doppelt so hoch wie 2014. Damals mussten 121 Kinder und Jugendliche kurzzeitig in Heimen oder bei Pflegeeltern untergebracht werden. „Damals war das Bundeskinderschutzgesetz in Kraft getreten“, so Schröpfer. Und damit galten auch strengere Regeln. Die Folge war ein deutlicher Anstieg von erfassten Meldungen beim Jugendamt.
Sofortige Prüfung der Informationen
Nicht jede Meldung bedeutet auch gleich, dass die Mitarbeiter des Jugendamtes die Kinder aus den Familien nehmen. „Wenn wir eine Meldung bekommen, prüfen wir anhand der Informationen sofort die Situation und entscheiden in einem kleinen Team die weiteren Schritte, die nötig sind“, erklärt Schröpfer den Ablauf. Es wird entschieden, ob der Fall akut ist und mindestens ein Mitarbeiter sofort zu der betroffenen Familie fährt, ob ein Beratungstermin oder ambulante Hilfen angemessen sind.
Die Inobhutnahme wird nur im äußersten Notfall genutzt. „Sie ist auch nur eine Maßnahme von vielen, die den Sozialarbeitern zur Verfügung stehen“, sagt Monika Schröpfer. Wenn das Kind allerdings akut gefährdet ist oder misshandelt wird, muss das Jugendamt eingreifen. Auch gegen den Willen der Eltern. „Manche wollen nicht einsehen, warum wir die Kinder mitnehmen, andere schwören Besserung. Die Reaktionen der Eltern sind immer sehr unterschiedlich.“
Allein die 60 Inobhutnahmen haben den Saalekreis im vergangenen Jahr 158 000 Euro gekostet. Das muss der Kreis allein stemmen. Ein Großteil - 138 000 Euro - wurde für die Unterbringung in Heimen aufgebracht, der Rest entfällt auf die Pflegefamilien, die Kinder und Jugendliche für einen kurzen Zeitraum aufnehmen. Die Zahlen im Vergleich zu den Vorjahren schwanken erheblich. Ausschlaggebend dafür ist, wie lange die Kinder untergebracht werden müssen, ebenso wie die Zuwendung, die sie benötigen.
Auch Kinder können sich melden
„Wir versuchen die Zeit getrennt von den Eltern so kurz wie möglich zu halten“, sagt Schröpfer. Vor allem in den Heimen waren die Kinder im Schnitt nur fünf Tage, bei Pflegeeltern dagegen 28 Tage. „Unser oberstes Ziel ist es immer eine Lösung mit den Eltern, nicht ohne sie zu finden.“
Auch Kinder und Jugendliche haben die Möglichkeit, um Obhut beim Jugendamt zu bitten. „Dann nehmen wir sie erstmal auf und prüfen den Fall“, so Schröpfer. „Besonders bei Jugendlichen sollte man aber die Motive hinterfragen.“
Für solche Fälle sind die Sozialarbeiter des Jugendamtes im Saalekreis zuständig. Sie sind immer in bestimmten ihnen zugeteilten Regionen unterwegs. So bearbeitet jeder unterschiedlich schwere und aufwendige Fälle. Im Schnitt waren das im vergangenen Jahr 42 pro Person. „Die Belastung ist hoch für die Mitarbeiter“, erklärt Schröpfer. Dennoch tun sie alles, was ihnen möglich ist. „Denn sie tragen persönlich die Verantwortung für jeden einzelnen Fall.“ Sie können im Ernstfall sogar selbst vor Gericht stehen und zur Verantwortung gezogen werden. (mz)