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Probleme beim Einlösen Probleme beim Einlösen: Gutscheine statt Geld für Flüchtlinge als Sanktion

Von Robert Briest 23.05.2018, 10:45
Die Gutscheine sind befristet gültig.
Die Gutscheine sind befristet gültig. Peter Wölk

Merseburg - Auf dem Fischzug nach Stimmen rechts der Mitte überbietet sich die CSU in jüngster Zeit mit Ideen zu Flüchtlingen. Meist geht es darum, deren Lebensbedingungen zu erschweren, um sie zur Ausreise zu drängen.

So schlug Bundestagsfraktionschef Alexander Dobrindt jüngst vor, die Leistungen für abgelehnte Asylbewerber stärker auf Sachleistungen umzustellen und die Zeiten, in denen den Geduldeten die Leistungen gekürzt werden können, deutlich auszudehnen.

Leistungskürzungen sind schon seit 2017 für viele Flüchtlinge im Saalekreis Realität. Die Ausländerbehörde gibt seither - einem Erlass des Landes folgend - Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die nach ihrer Ansicht nicht ausreichend an der Feststellung ihrer Herkunft mitarbeiten, nur noch Gutscheine statt Geld aus.

230 der insgesamt 1.634 Sanktionierten im Land kommen aus dem Saalekreis

Mittlerweile erhält knapp ein Drittel der 729 Leistungsberechtigten im Kreis nur noch solche Coupons. Damit kommen 230 der insgesamt 1.634 Sanktionierten im Land aus dem Saalekreis.

Für die Betroffenen bringt das große Probleme mit sich, wie Amit und Nani (Namen von der Redaktion geändert) berichten. Beide bekommen seit Monaten nur noch die Gutscheine, mit denen sie in Läden einkaufen sollen. „Es gibt zwei speziellen Tage, an denen wir sie abholen müssen. Wenn man an dem nicht da ist, erhält man weniger“, berichtet Nani.

Der junge Guinea-Bissauer lebt in der Sammelunterkunft in Krumpa, muss für die Gutscheinausgabe jedes Mal nach Merseburg. Dafür erhält er Tickets vom Kreis. Wenn er ansonsten irgendwo hinfahren wolle, etwa um Fußball zu gucken, müsse er schwarz fahren, denn die Gutscheine lassen sich nicht in Bus und Bahn einsetzen. Das sieht auch der Inder Amit als ein Hauptproblem. Um etwa nach Halle zu kommen, müsse er teilweise die Gutscheine bei anderen Flüchtlingen in Geld umtauschen.

40 Prozent Verlust beim Einlösen der Gutscheine

Der Wechselkurs sei schlecht, teilweise mache er damit 40 Prozent Verlust. Dabei habe er mit den Gutscheinen eh schon viel weniger zur Verfügung als noch bis zum Herbst: „Vorher habe ich 375 Euro als Geld erhalten, jetzt bekomme ich Gutscheine für 175 Euro im Monat.“ Davon könne er aber nicht alles bezahlen: Für die Rechnung seines Handyvertrags bräuchte er Geld, was er nicht hat. Auch etwas anzusparen, ist mit den Gutscheinen nicht möglich. Denn auf ihnen ist ein jeweils sehr nahes Verfallsdatum vermerkt.

Nani berichtet zudem von ganz praktischen Problemen beim Einlösen der Gutscheine. Nicht nur, dass dies nicht überall möglich sei, teilweise würden sich die Verkäufer auch weigern, wenn Kaufpreis und Gutscheinbetrag nicht übereinstimmen, Wechselgeld herauszugeben.

Er müsste zwangsweise noch etwas Kleines dazu kaufen. Er sieht die Migranten durch die Gutscheine stigmatisiert: „Die Leute im Supermarkt behandeln dich, als ob sie dich nicht wollen.“ Amit sollte nach Ansicht des deutschen Staates lieber in Indien sein. Die Ausländerbehörde habe ihn mit den Gutscheinen sanktioniert, weil sie seine Dokumente will: „Die braucht sie für die Abschiebung nach Indien.“ Nachvollziehen kann er die Sanktion und die damit verbundene Idee, Druck auf ihn auszuüben, nicht. Zwei Mal sei er schon bei der Botschaft gewesen.

„Seit Einführung der Gutscheine ist eine verstärkte Mitarbeit der Betroffenen zu verzeichnen“

Die habe ihm nur gesagt, seine Dokumente seien in Bearbeitung. Nani wird in seiner Kritik noch grundsätzlicher: Wenn es in einem Land normal sei, keine Dokumente zu haben. Wie soll man dann welche vorlegen. Die beiden jungen Männer glauben daher nicht, dass mehr Druck auf Flüchtlinge, wie etwa von Dobrindt erhofft, zu mehr freiwilligen Ausreisen führt.

Der Saalekreis sagt hingegen: Druck wirkt. „Seit Einführung der Gutscheine ist eine verstärkte Mitarbeit der Betroffenen zu verzeichnen“, sagt Sprecherin Kerstin Küpperbusch. Etwa 50 hätten Dokumente vorgelegt, über zehn seien freiwillig ausgereist. Bei Kooperation würde die Sanktion auch wieder aufgehoben.

Der Kreis verteidigt auch die Ausgabe an fixen Tagen und die Kürzungen. Die Leistungen würden im Voraus gezahlt. Für den Ausgabetag, an dem der Betroffene nicht kam, habe er ja später keinen Bedarf mehr. Da die Gutscheine nur den Bedarf in einem bestimmten Zeitraum abdecken würden, seien sie begrenzt. Dann gäbe es ja neue Gutscheine, argumentiert der Kreis, der die von Dobrindt geforderten Sachleistungen allerdings für unpraktisch hält. Die Möglichkeit gebe es schon jetzt. Aber die Ausgabe von Sachleistungen würden einen hohen personellen Aufwand bedeuten. (mz)