Merseburg Merseburg: Die Welt unter Merseburg
MERSEBURG/MZ. - Die Gebäude entlang der Oberen Burgstraße in Merseburg standen vor Jahren eigentlich schon auf der Abrissliste. Was viele ahnten und was teilweise durch eine Doktorarbeit aus den 60er Jahren belegt war: Unter den Häusern befindet sich ein Riesen-Labyrinth von Gängen Schächten, Treppen und Gewölben, die sich bis unter das Kunsthaus Tiefer Keller ziehen. Ein kleiner Ausflug von Thomas Elmendorff , Geschäftsführer der Gebäudewirtschaft, in die Unterwelt "seiner" Häuser und der unbedingte Wunsch von Galerist Holger Leidel, zu wissen, wie die Welt unter Merseburg aussieht, hat wohl den Ausschlag gegeben, dass die Keller erhalten wurden.
Unter der Galerie von Holger Leidel liegen die ersten Gewölbe, die vor Jahren begehbar gemacht wurden. Hier finden die berühmten Veranstaltungen "Speckkuchen und Wein" mit den Merseburger Stadtführern statt, und hier wird auch schon Kunst ausgestellt. Doch was bisher nur wenige wissen: Man kann vom Kunsthaus aus unterirdisch bereits bis hinter die Merseburger Stadtmauer an der Oberen Burgstraße spazieren - allerdings nur wenn man wie Holger Leidel den Schlüssel für Merseburgs Unterwelt hat, denn das Ganze ist noch nicht offiziell. Erst im ersten Quartal des neuen Jahres soll dafür der Startschuss fallen. Die MZ durfte schon mal einen ersten Blick auf das werfen, was sicherlich viele begeistern wird.
Rund 600 Quadratmeter Fläche hatte die Gebäudewirtschaft unterirdisch vermessen können - Jahrhunderte alte Keller, in denen früher Bier, Wein und Lebensmittel gelagert wurden und wo sich zu DDR-Zeiten auch eine Fleischerei und Pökelei befand. Schließlich lag die Obere Burgstraße direkt an der Handelsstraße zwischen Frankfurt am Main und Leipzig. Im zweiten Weltkrieg wurden die Keller als Fluchtkeller genutzt. "Der älteste Keller wurde wahrscheinlich um 1230 angelegt, der jüngste so um 1650", erklärt Holger Leidel, der sich gemeinsam mit den Mitgliedern des Merseburger Kunstvereins um eine mögliche Nutzung der Keller kümmert, um so auch die Merseburger Innenstadt weiter aufzuwerten.
"Wir haben im August 2006 damit angefangen die Keller vom Schutt zu befreien, haben Stabilität ins Mauerwerk gebracht und eingestürzte Gewölbedecken repariert", erzählt Harry Aelter, Projektleiter Bauhandwerk bei der Personalmanagement und Entwicklungs GmbH (Pem), und zeigt wo das alte Gemäuer ausgebessert werden musste. 170 Kubikmeter Schutt wurden allein im ersten Vierteljahr rausgeschafft, immer mehr Keller erobert, die zum Teil zugemauert waren. Alles sei Handarbeit gewesen. Maschinen seien nicht zum Einsatz. Aelter: "Bei diesen Arbeiten hatten unsere Mitarbeiter die Chance, sich besondere Fähigkeiten anzueignen." Ein Problem mit zu viel Nässe gibt es in der Welt unter Merseburg nicht, da alle Keller zwangsbelüftet sind. Damit sich aber Feuchtigkeit hält und das Gemäuer nicht zu trocken und damit porös wird, wurde der Boden an manchen Stellen mit Lehm aufgefüllt
Die tiefsten Keller liegen sieben bis acht Meter unter der Stadt. Insgesamt gibt es etwa 28 Keller - zum Teil in vier Etagen übereinander. Der kleinste ist drei mal fünf Meter groß, der größte rund 20 mal sieben Meter. Eine wunderbare Welt. "Die wir den Merseburgern hoffentlich bald zeigen können", freut sich Holger Leidel, der Chef des Kunstvereins , schon jetzt.