1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Merseburg
  6. >
  7. Kriseninterventionsteam: Kriseninterventionsteam: Der Tod als ständiger Begleiter

Jetzt live

Kriseninterventionsteam Kriseninterventionsteam: Der Tod als ständiger Begleiter

Von Dirk Skrzypczak 23.05.2014, 09:25
Cornelia Schulte im Gespräch mit Ambulance-Chef Stephan Quandt
Cornelia Schulte im Gespräch mit Ambulance-Chef Stephan Quandt Junghans Lizenz

Merseburg/MZ - Als der Schmerz und die Verzweiflung wichen, entschied sich Cornelia Schulte, anderen Menschen zu helfen. Zehn Jahre ist es her, dass ihr Ehemann plötzlich verschwand. „Das war eine schlimme Zeit, weil dich die Ungewissheit auffrisst“, erzählt die heute 52-Jährige. Und als ihr Mann Tage später gefunden wurde, ertrunken, kam die Kindererzieherin mit ungeheurer Willenskraft aus dem emotionalen Loch wieder heraus. 2004 schloss sie sich als ehrenamtliche Mitarbeiterin dem Notfallseelsorge-Team im südlichen Saalekreis an, getragen vom Kirchenkreis Merseburg. „Der Tod kommt zumeist unerwartet. Jeder Mensch trauert anders. Gerade in den ersten Stunden ist es wichtig, dass man Betroffenen Halt gibt“, erzählt die Mutter eines erwachsenen Sohnes (29).

Starke Nerven gefragt

Polizei und Rettungskräfte wissen die Arbeit der Seelsorger zu schätzen, die zumeist dabei sind, wenn Angehörigen die Nachricht vom Tod eines geliebten Menschen überbracht werden muss. Zwölf ehrenamtliche Notfallseelsorger sind im Südkreis derzeit nach einem Schichtplan abrufbar. „Es sollten noch ein paar mehr sein, damit die Bereitschaftsdienste auch weiterhin besetzt werden können“, sagt Thomas Thürer, der das Team betreut. Schließlich sei in den vergangenen Jahren vor allem bei Einsatzkräften das Gespür gewachsen, dass es bei Unglücksfällen oft nicht ausreicht, Wunden zu versorgen oder den Tod festzustellen.

„Nicht nur Betroffene brauchen eine psychosoziale Betreuung. Auch für die Einsatzkräfte, die oft enorm belastet sind, ist unsere Begleitung sehr wichtig“, erklärt Thürer.

Cornelia Schulte schiebt aufgrund ihres Jobs zumeist Wochenenddienste. Für das, was sie erlebt, braucht sie starke Nerven. Tödliche Unfälle, Suizid, Tod im häuslichen Bereich. „Besonders schlimm ist es immer wieder, wenn es um Kinder geht.“ Im Oktober 2012, als die zehnjährige Angelique nach einem tragischen Unfall auf der Bundesstraße 91 in Merseburg starb, kümmerte sich die Notfallseelsorgerin um die Mutter. „Normalerweise kann man einen Schutzschild aufbauen, um die tiefe Verzweiflung der Betroffenen nicht zu dicht an sich heranzulassen“, erzählt sie. Doch im Fall von Angelique funktionierte das nicht. „Ich kenne die Mutter und kannte auch das Kind.“

Betreuung nach Unfällen

Da auch Notfallseelsorger Hilfe brauchen, trifft sich das Team aller sechs Wochen zu einer Gesprächsrunde. Dann werden die einzelnen Fälle geschildert, ein Psychologe ist mit dabei. „Diese Aufarbeitung ist wichtig, um nicht selbst in Depressionen zu verfallen und an der Schwere der Fälle zu zerbrechen“, sagt Teamleiter Bernd Rudolph. Schließlich ist der Tod ein ständiger Begleiter der Seelsorger.

Cornelia Schulte hat ihre ehrenamtliche Berufung gefunden. Ein bis zwei Stunden dauert ein Einsatz zumeist für einen Notfallseelsorger. „Manchmal redet man mit Angehörigen über den Toten, manchmal sitzt man auch nur da und schweigt.“ Betreut werden bei Unfällen auch die Verursacher, die oft und über eine lange Zeit unter großen Schuldgefühlen leiden.