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Kinder- und Jugendheim Merseburg Kinder- und Jugendheim Merseburg: Seit 40 Jahren ein Zuhause auf Zeit

Von Undine Freyberg 28.10.2017, 14:00
Ein Foto der Mitarbeiterinnen aus den 80er Jahren
Ein Foto der Mitarbeiterinnen aus den 80er Jahren Peter Wölk

Merseburg - Wenn diese Wände reden könnten, würden sie vielleicht traurige, aber auch glückliche Kindergeschichten erzählen, denn in 40 Jahren ist viel passiert in dem Haus an der Geusaer Straße, das heute das Kinder- und Jugendhaus des Albert-Schweitzer-Familienwerkes ist.

Im Februar 1977 war das Haus als Wochenkrippe und Dauerheim für Kinder bis drei Jahre an der damaligen Otto-Nuschke-Straße eröffnet worden. Rund 900.000 Ostmark hatte der zweigeschossige Bau damals gekostet.

Insgesamt 960 Kinderin 40 Jahren

Insgesamt 960 Kinder haben hier in den vergangenen 40 Jahren ein Zuhause auf Zeit gefunden - entweder weil sie keine Eltern mehr hatten, weil es in der Familie zeitweise und aus den verschiedensten Gründen nicht funktionierte oder weil ihre Mütter zu DDR-Zeiten alleinerziehend waren, in Buna, Leuna oder in der Papiermühle in Schichten arbeiteten und dies für viele die einzige Möglichkeit war, ihre Kinder gut versorgt zu wissen. Damals war das Haus zweigeteilt. Im Heim lebten rund 45 Kinder. Der andere Teil war ein Kindergarten, der 1995 auszog.

„Manchmal bekamen wir Kinder, die nur wenige Tage alt waren“, erinnert sich Michaela Larsen, die das Haus heute leitet, aber selbst schon seit mehr als 30 Jahren hier arbeitet. Und sie weiß noch genau, wie es zu DDR-Zeiten war. „Unsere Kinder hatten alle die gleichen Hosen, Pullover und Jacken an. Das war wie eine Uniform, aber nur weil es nichts gab. Aber so wusste natürlich jeder, wo die Kinder herkommen.“ Egal, ob Junge oder Mädchen - alle trugen Blümchen-Nachthemden und einmal im Jahr gab es eine große Schuh-Lieferung aus Weißenfels.

„Wenn unsere Kinder nachts schliefen, haben wir gewaschen“

„Wenn unsere Kinder nachts schliefen, haben wir gewaschen, 40 bis 50 Babyfläschchen fertig gemacht, alles sterilisiert und ausgekocht, oder auch mal gefeiert. Manchmal ging’s auch so lange, dass wir gleich im Heim übernachtet haben. Aber“, lacht sie, „am Morgen waren wir aber wieder ganz für unsere Kinder da.“

Bis 1990 sei die Krippenvereinigung der Stadt Merseburg für das Haus verantwortlich gewesen. 1991 habe die Kreisverwaltung übernommen, im Jahr 2000 dann das Albert-Schweitzer-Familienwerk.

1994 gab es die erste sogenannte Tagesgruppe für Kinder aus schwierigen Familien

1994 gab es die erste sogenannte Tagesgruppe für Kinder aus schwierigen Familien. Hier wurde nicht nur Kleinkinder von früh bis abends betreut, es gab auch Eltern-Kind-Training und Beratungen zu Erziehungs-, Entwicklungs- und Schulproblemen. „Ich erinnere mich noch an eine Mutter, die mal zu mir sagte: Wenn Sie nicht gewesen wären, hätte ich meinen Jungen totgeschlagen“, erzählt Michaela Larsen. „Wir sind so froh, wenn wir Kindern und Eltern helfen können.“

Der größte Schatz des Hauses seien deshalb die Mitarbeiter (heute sind es 26) - die Heilpädagogen, Erzieher, Sozialpädagogen, aber auch die Hauswirtschafter und der Hausmeister. „Denn ohne sie und das Vertrauen, dass die Kinder in sie haben müssen, geht das hier alles nicht.“ Wie dankbar ehemalige Schützlinge sind, sehe man daran, dass immer wieder welche von ihnen mit ihren eigenen Kindern vor der Tür stehen, nach ehemaligen Mitarbeitern fragen und Sätze sagen wie. „Ich wollte meiner Tochter einfach mal zeigen, wo ich groß geworden bin.“

40-jähriges Bestehen des Hauses an der Geusaer Straße gefeiert

Jetzt wurde an der Geusaer Straße das 40-jährige Bestehen des Hauses gefeiert. Sponsoren kamen, und die Theater AG schaute auf lustige Weise auf die vergangenen vier Jahrzehnte. Und außerdem hatte man sich quasi selbst ein Geschenk gemacht: Die Hausfassade zur Geusaer Straße hin konnte in diesem Jahr saniert werden. Die Kosten bisher (inklusive der Planungen für das gesamte Objekt): 200.000 Euro. 20.000 davon kamen von Roland Schimek. Ein Verfahren wegen Untreue und Betrugs gegen den ehemaligen Betriebsleiter des Eigenbetriebs für Arbeit des Saalekreises war gegen die Zahlung von 100.000 Euro eingestellt worden.

„Bei den Arbeiten haben wir allerdings eine Überraschung erlebt“, erzählt Michael Larsen. „Es wurde nämlich festgestellt, dass unsere Fenster nicht etwa im Mauerwerk, sondern nur in Sauerkrautplatten befestigt waren.“ Ein Mitarbeiter einer Firma habe gesagt, dass sie ganz schön Glück gehabt hätten, dass die Fenster nicht rausgefallen sind. (mz)