Ein Leben mit dem Kalk-Gestein
SCHRAPLAU/MZ. - So entstand ein riesiges Hohlraumsystem, das derzeit durch eine Spezialfirma im Auftrag des Landesamtes für Geologie und Bergwesen gesichert und saniert wird.
Die Schraplauer haben indes gelernt, mit dem Kalk und seinen Auswirkungen zu leben. Erst vor einiger Zeit entstand an einem Wohnhaus auf dem Kirchberg ein erheblicher Schaden (die MZ berichtete). Aber der Kalk brachte auch Arbeit in die kleine Stadt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts existierten hier etwa zehn einzelne Kalkwerke mit 35 Brennöfen. Auf dem Standort des Kalkwerkes Stecher, wo besonders viel Kalk anlag und wo es einen Bahnanschluss gab, wurde am 5. April 1909 schließlich die Schraplauer Kalkwerke AG gegründet.
Viele Schraplauer erwarben damals Aktien. Insgesamt wurden 600 Stück im Wert von je 100 Reichsmarkt herausgegeben. "Ursprünglich war der Sitz der Firma ja in Halle", erzählt der Betriebsleiter des heutigen Kalkwerkes Schraplau, Andreas Dönicke. Aber man habe sehr schnell den Sitz nach Schraplau verlegt.
Das Werk kam ohne Zerstörungen über zwei Weltkriege. Im Jahre 1945 wechselten kurzzeitig die Besitzrechte zur damaligen sowjetischen Militäradministration (SMAD). Doch schon 1946 gingen sie zurück an die AG, die 1950 schließlich in den Volkseigenen Betrieb (VEB) Kalkwerke überführt wurden. Als VEB Kalkwerk Schraplau firmierte der Betrieb bis 1974. Dann wurde er Betriebsteil IV des VEB Harzer Kalk- und Zementwerke. Und das war er bis 1990. Damals waren hier in Schraplau 236 Menschen in Lohn und Brot.
"Nach der Wende wurde das Werk verkauft, und es entstand die Harzkalk GmbH, die wiederum 1991 durch die Felswerke Goslar erworben wurden", berichtet Andreas Dönicke weiter. 1995 wiederum wurde die Harzkalk GmbH verschmolzen mit den Felswerken zur Felswerke GmbH. Inzwischen ist das Kalkwerk Schraplau ein Unternehmen der Xella International. "Aber für die Schraplauer sind und bleiben wir weiter das Kalkwerk. Es ist auch viel zu kompliziert, dem Laien die Unternehmensstrukturen zu erläutern."
Zu DDR-Zeiten war Baukalkherstellung der Schwerpunkt der Produktion. Baukalk, Düngekalk und Mergel kamen aus Schraplau. "Bis 1982 wurde hier auch noch selber gebrannt. Dann wurde Öl für die Öfen teuer und knapp. Deshalb bekam das Werk gebrannten Kalk zur Weiterverarbeitung aus Rübeland", so Dönicke. Deshalb wurde auch der Tagebau stillgelegt.
Heute hat das Kalkwerk zwei Standbeine und 35 fest angestellte Mitarbeiter sowie fünf Azubis. Sie produzieren im Schichtsystem rund um die Uhr Kalkprodukte. Auf der ansonsten stillgelegten Bahnstrecke von Röblingen nach Schraplau rollen vier bis fünf Züge mit jeweils rund 850 Tonnen Branntkalk pro Woche an, der aus Rübeland kommt. "Wir verarbeiten den hier weiter zu Weißfeinkalk, der wiederum an Kraftwerke geliefert wird. Dort wird er zur Abgasreinigung benötigt", erklärt der Werksleiter. Etwa 200 000 Tonnen Kalkprodukte werden pro Jahr hergestellt.
Das zweite Standbein, so ist weiter zu erfahren, ist die Herstellung von so genanntem Stuck-Gips aus REA-Gips. Dieser REA-Gips entsteht durch chemische Reaktionen bei der Reinigung der Rauchgase im Kohlekraftwerk aus dem Weißfeinkalk. In Schraplau wiederum wird dieser Gips ebenfalls durch chemische Vorgänge in Stuck-Gips umgewandelt. Auch hier stehen rund 200 000 Tonnen pro Jahr zu Buche. Gesteuert wird die Produktion von einer Messwarte aus. "All das kann man sich am Tag der offenen Tür genauer ansehen, den wir anlässlich des 100. Gründungstages des Werkes am 4. April durchführen. Wir wollen dann halbstündlich Führungen anbieten", lädt Dönicke ein.