Die Problemlöser Die Problemlöser: Wie Familienintegrationscoaches einem Nagelstudio helfen

Merseburg - Anne-Kathrin Pinders Arbeitsplatz liegt etwas versteckt in der Merseburger Gotthardstraße. Nur eine beklebte Haustür weißt auf das Nagelstudio im ersten Stock hin. An Kunden mangele es Pinder und ihren Kollegen dennoch nicht, versichert der Chef. Ein gutes drei Viertel Jahr hatte die 28-Jährige nun schon Zeit, sich ihren Kundenstamm aufzubauen.
Für die junge Mutter ist das die längste Zeit in einem Job, seit sie ihre Lehre als Kosmetikerin abgeschlossen hat. Seither wechselten sich Phasen der Arbeitslosigkeit mit Gelegenheitsjobs im Einzelhandel und zwei Jahre Elternzeit ab. Dass ihr nun der wohl dauerhafte Schritt zurück ins Arbeitsleben geglückt ist, verdankt sie auch einem Programm, das im Princess-Nail’s-Studio von Mathias Nebelung von allen nur „ESF“ genannt wird.
Geld für die Familienintegrationscoaches des Saalekreises
Die Abkürzung steht für Europäischer Sozialfonds. Aus dem stammt das Geld für die Familienintegrationscoaches des Saalekreises. „Das Projekt richtet sich ausschließlich an ALG-II-Empfänger und da ausschließlich an Familien“, erklärt die Projektverantwortliche Sabine Baldauf. Die Klienten ihres vierköpfigen Teams dürften zudem nicht älter als 35 Jahre sein. „Die Teilnahme ist freiwillig“, betont Baldauf.
Zumeist kämen alleinerziehende Mütter zu ihr, im Gepäck einen Sack voller Problem, der sie auf dem Weg zum Job behindert. „Es geht zum Beispiel um zu viele Schulden, fehlende Kinderbetreuung, fehlende Schulabschlüsse, häufig kommen auch Trennungsprobleme und -schmerz hinzu.“ Außerdem gebe es immer auch finanzielle Probleme: „Viele Kundinnen haben das Gefühl, dass sie vor einem Problemberg stehen. Es ist nicht so, dass unsere Kunden nicht arbeiten wollen. Sie wissen aber nicht, wie.“
„Die wenigsten Probleme sind unlösbar.“
Das Ziel der Familiencoaches ist es deshalb, diesen Berg abzutragen und am Ende - zumindest in den meisten Fällen - den Weg in den Job zu ebnen. Baldaufs Devise lautet dabei: „Die wenigsten Probleme sind unlösbar.“ Oft würde der Berg, wenn man die Probleme angehe, zum Hügel. Beziehungen könnten sie und ihre Mitarbeiter zwar nicht kitten, aber zuhören und die Taschentuchbox auf dem Tisch in ihrem Büro würde oft zumindest helfen.
Baldaufs Büro befindet sich übrigens im Jobcenter im Merseburger Westen. Dabei sind die Familiencoaches eigentlich Teil des Jugendamtes des Kreises. Doch die räumliche Nähe hat sich nach Ansicht der Projektverantwortlichen bewährt: „Viele Kunden werden uns von den Kundenbetreuern im Jobcenter vermittelt.“ Sie haben dann einen kurzen Weg zur Erstberatung.
Bis zu einem Jahr können die Familien in dem Programm bleiben
Bis zu einem Jahr können die Familien in dem Programm bleiben. Nehmen die Eltern eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf, kann es jedoch auch früher enden. Nicht bei allen ist die Vermittlung in einen Job ein realistisches Ziel: „Bei einer Mutter mit fünf teils behinderten Kindern ist das unrealistisch“, argumentiert Baldauf, die mit ihrem Team auch die Elterntreffs im Mehrgenerationenhaus in Merseburg organisiert.
Damit den jungen Eltern der Schritt zurück auf den Arbeitsmarkt gelingt, sind die Familiencoaches auf Partner in der Wirtschaft angewiesen. Dabei sind auch die Überredungskünste des zum Team gehörenden Jobcoaches gefragt. Bei Mathias Nebelung muss der sich mittlerweile allerdings nicht mehr anstrengen. Er ist voll von den Vorteilen des Programms überzeugt.
„Es hat besser geholfen, als die normale Vermittlung im Jobcenter“
Alle drei Mitarbeiterinnen in seinem Nagelstudio haben ihm die Familiencoaches vermittelt. Natürlich sei es für einen Unternehmer ein Risiko, drei junge Mütter anzustellen. Das Programm ermögliche aber, es erstmal auszuprobieren. „Und wenn es irgendetwas gibt, kann ich da anrufen“, lobt er Baldaufs Team.
Für Pinder hatten Nebelungs gute Erfahrungen den Vorteil, dass für sie alles sehr schnell ging, nachdem ihre Betreuerin im Jobcenter sie an das „ESF“ vermittelt hatte. Binnen Wochen habe sie das Vorstellungsgespräch und nach zwei Wochen Praktikum dann auch den Job. „Es hat besser geholfen, als die normale Vermittlung im Jobcenter“, sagt sie zufrieden. (mz)