Debatte um Straßennamen in Merseburg Debatte um Straßennamen in Merseburg: Günther Adolphi wird abgeklebt
Merseburg - Der öffentliche Druck war so groß, dass sich die Hochschule und die Stadt Merseburg zum Handeln gezwungen sehen. Die Namensgebung für die Günther-Adolphi-Straße auf dem Campus der Hochschule soll so lange ruhen, bis die Vorwürfe gegen den renommierten Verfahrenstechniker geklärt sind. „Es bestehen Zweifel an seiner Person. Ich habe daher veranlasst, dass die Straßenschilder abgeklebt werden“, sagte Rektor Jörg Kirbs am Montag der MZ. Es handele sich nicht um eine Vorverurteilung Adolphis. „Aber wir brauchen Zeit, um die Wahrheit ans Licht zu bringen.“
Historiker berichten von Adolphis Wirken in NS-Zeit
Die Stadt Merseburg hatte auf Vorschlag der Hochschule eine Straße auf dem Gelände der Forschungseinrichtung nach Ehrenprofessor Günther Adolphi (1902 - 1982) benannt. Im März dieses Jahres meldeten sich dann Historiker zu Wort, die von Adolphis Wirken in der NS-Zeit berichteten. Von 1943 bis 1945 war er im Auftrag der IG Farben in Auschwitz als Montageleiter am Aufbau einer Methanolfabrik beteiligt. Der Vorwurf von Historikern: Adolphi habe bewusst das Leid von Zwangsarbeitern in Kauf genommen. Vor wenigen Tagen hatte das Internationale Auschwitz-Komitee die Stadt und die Hochschule wegen der Namensgebung scharf kritisiert.
Merseburgs OB Jens Bühligen (CDU), der sich zuvor mit Kirbs abgestimmt hatte, begrüßte den Schritt der Hochschule: „Aufgrund der öffentlichen Wahrnehmung gibt es keine andere Wahl, als die Widmung ruhen zu lassen.“ Nun müsse die Aufarbeitung erfolgen, bei der man „auch intensiv die Rolle der IG Farben in der NS-Zeit beleuchten müsse“. Ihm stelle sich die Frage, „ob Adolphi für sein Handeln Alternativen gehabt habe“, so der Oberbürgermeister. Sollte sich herausstellen, dass der Wissenschaftler Schuld auf sich geladen habe, dann dürfe er nicht als Namensgeber einer Straße im öffentlichen Raum stehen.
Auf Vorschlag der Hochschule beschließt der Stadtrat die Namensgebung für drei Straßen auf dem Campus. Auch Günther Adolphi, von 1961 bis 1967 Direktor des Instituts für Verfahrenstechnik an der TH Merseburg, wird ausgewählt. Zweifel am Verdienst des Wissenschaftlers gibt es da noch nicht.
Die MZ berichtetet erstmals von Vorwürfen gegen Adolphi. Bei einem Dachbodenfund in Bad Dürrenberg waren Dokumente aufgetaucht, die belegen, dass Adolphi beim Aufbau einer Methanolanlage in Auschwitz tätig war. Hochschule und Stadt sagen eine Prüfung zu, sprechen aber auch von einer fehlerhaften Recherche.
Historiker Manfred Linck aus Bad Dürrenberg und Buchautor Georg Wagner-Kyora lassen nicht locker, belasten Adolphi schwer. Die Hochschule setzt Professor Alfred Georg Frei ein, um eigene Nachforschungen anzustellen.
Das Internationale Auschwitz-Komitee übt harsche Kritik an Hochschule und Stadt: „Es mutet makaber an, eine Straße nach einem Wissenschaftler zu benennen, der tief ins Auschwitz-System verstrickt war.“
Studenten wollen in Auschwitz nach Fakten suchen
Kirbs verweist auf umfangreiche Recherchen von Hochschulprofessor Alfred Georg Frei, der seit Wochen deutschlandweit Unterlagen in Archiven sichte. Außerdem wolle Frei im Herbst mit Studenten selbst nach Auschwitz fahren, um vor Ort nach Fakten zu suchen. Zudem will die Hochschule einen unabhängigen Experten einschalten. „Wir wollen uns nicht dem Vorwurf aussetzen lassen, dass wir in diesem Fall etwas verschleiern würden. Das ist eine Angelegenheit, die sensibel aber auch gründlich behandelt werden muss.“ Schließlich gehe es um das Leid von Menschen. Gleichwohl gelte bis zum Gegenbeweis auch für Adolphi die Unschuldsvermutung. Für Anlieger hat die ausgesetzte Namensgebung keine Konsequenzen. Postadressen auf dem Campus mit der Günther-Adolphi-Straße gibt es nicht. Gestern wurde der Name übrigens noch nicht überklebt. (mz)