Bahn-Betriebszentrale Leipzig Bahn-Betriebszentrale Leipzig: Fahrdienstleiter überwacht Verkehr
Leipzig/MZ. - Im Merseburger Ortsteil Beuna schließen sich die Schranken. Ein Zug der Burgenlandbahn rollt über die Schienen in Richtung Braunsbedra. Doch die Schranken steuert nicht etwa ein Schrankenwärter, sondern ein vollautomatisches Computersystem. Dieses wird aus einem unscheinbaren Gebäude am Leipziger Hauptbahnhof kontrolliert. Hier sitzt Heiko Frecke in einem Großraumbüro in der ersten Etage bei gedämpftem Licht und beobachtet hochkonzentriert acht Monitore. Bunte Linien und Symbole auf schwarzem Hintergrund sind auf einigen zu sehen, auf anderen stehen große Tabellen. Dies ist die Schaltstelle des Abschnitts "Naumburg 3" im so genannten "Steuerbezirk 7" - der Verkehrsknoten rund um Merseburg.
Rund um die Uhr an allen Tagen des Jahres sitzt hier ein Fahrdienstleiter und steuert die Zugbewegungen. "Durch die Bauarbeiten gibt es hier zurzeit viele Veränderungen", sagt Frecke und deutet auf das Gewirr aus Strichen, Zahlen, Kreisen und Rechtecken.
Als Außenstehender sei es nahezu unmöglich, das System zu begreifen, gibt der Fahrdienstleiter zu bedenken. Er selbst habe mehrere Wochen gebraucht. Frecke hat kurz vor der Wende auf einem kleinen, damals noch elektromechanischen Stellwerk in Weißenfels als Fahrdienstleiter angefangen. "Von Eisenbahnromantik ist hier nichts übriggeblieben", sagt Frecke mit einem leicht bedauernden Unterton in der Stimme.
Die Wände des riesigen Raumes sind mit kleinen Schließfächern bedeckt, Hausschuhe und Schlappen stehen für die nächste Schicht bereit. Die dauert in der Regel acht Stunden, "es können aber auch mal sechs oder zwölf sein", erzählt der Fahrdienstleiter. Im Rücken Freckes sitzen noch einige andere Fahrdienstleiter an ähnlichen Arbeitsplätzen sowie ein Disponent, der den Überblick über eine Region und die darin fahrenden Züge behält.
Die Grundlage für die Arbeit unterscheidet sich dabei wenig von jener vergangener Jahrzehnte - nur die Umsetzung ist verschieden. Ein Jahresfahrplan in einer Datenbank gibt den Takt vor, ebenso die eherne Grundregel der sogenannten Blockabschnitte. Dies sind festgelegte Bereiche der Gleises, in die nur jeweils ein Zug mit Zustimmung des Fahrdienstleiters einfahren darf.
Heute wird ein Zug elektronisch erfasst, die Anmeldung für den nächsten Blockabschnitt geschieht automatisch - der Fahrdienstleiter überprüft nur noch am Bildschirm, ob die Strecke frei ist. "Natürlich haben wir verschiedene Sicherheitsebenen eingebaut", erklärt der Leiter für Netzdisposition in der Betriebszentrale Leipzig, Jürgen Enzmann.
"Für den Fahrdienstleiter sind alle Züge gleich, sie sind nur eine Nummer auf dem Bildschirm", erklärt Enzmann. Es gebe strenge Vorgaben für Prioritäten. "Bei Verspätungen haben Züge mit kürzerer Reisezeit Vorrang, damit sich die Verspätungen nicht immer mehr im Netz summieren", so der Leiter.
Das langfristige Ziel der zuständigen DB Netz AG sei es, flächendeckend alle Haupttrassen in Deutschland von insgesamt sieben Betriebszentralen aus zu steuern, so Enzmann. Rund um Merseburg fehlen da nur noch einige Gleiskilometer rund um Korbetha. "Dort wurde das Stellwerk erst Anfang der 1990er Jahre gebaut, es bleibt noch ein paar Jahre erhalten", erklärt der Ingenieur.
Obwohl Fahrdienstleiter Frecke fast alle Meldungen auf den Schirm bekommt, stehen trotzdem drei Telefone in Reichweite. Und es kommt tatsächlich vor: Ein Lokführer ruft an und erkundigt sich über die Strecke am Bahnhof in Merseburg. Er rangiert eine Baulok und will sichergehen, dass das entsprechende Gleis frei ist. Würde der Bahnknoten um Merseburg nicht umgebaut, herrschte an Freckes Arbeitsplatz wohl größtenteils Funkstille. So aber kann er ab und zu doch mit Lokführern sprechen - das wirkt angesichts der hochmodernen Computersteuerung fast altmodisch.
Ein Fan von Modelleisenbahnen ist der Fahrdienstleiter übrigens nicht - auch wenn ein solches Hobby naheliegend wäre. "Das ist Spielerei, hier muss man sich immer bewusst sein, dass dort Menschen drinsitzen", betont er und tippt dabei auf eine kleine, gelb blinkende Nummer.