Agentur für Arbeit Agentur für Arbeit: Psychologen ohne das bekannte Ledersofa
Merseburg/MZ. - Jana S. (22) könnte nach eine Umschulung endlich wieder in Arbeit kommen. Doch so richtig freut sie sich nicht. Zweifel plagen sie. "Ich werde das nicht packen, mache ständig Fehler." Janas Selbstwertgefühl ist soweit im Keller, dass sie trotz eines neuen Jobs eher zu Hause bleiben, als die ersehnte Arbeit antreten würde.
Ganz anders Tilo K. (24). mit dem Abschluss der 6.Klasse. Nach etlichen Projekten, die er durch die Agentur für Arbeit durchlaufen hat, glaubt er die Welt einreißen zu können. Er überschätzt sich maßlos und ist aggressiv, weshalb er nicht die von ihm gewünschten Jobs angeboten bekommt.
Unter- und Überschätzung - zwei Probleme, vor denen die Arbeitsvermittler der Merseburger Arbeitsagentur oft stehen. In solchen Fällen wissen sie den psychologischen Dienst im Hause mit Fachleuten an ihrer Seite. Das Team um den Psychologen Jochen Stiller ist dazu da, Probleme die in der Fortbildung und Vermittlung auftreten, zu analysieren.
Eine Ledercouch sucht man vergebens in ihren Büroräumen. Stiller schmunzelt: "Wir sind für unsere Kunden keine Therapeuten, sondern in allererster Linie Berater." Gemeinam mit Maik Daberkow, dem zweiten Psychologen, findet er in intensiven Gesprächen, Befragungen und Tests heraus, wofür dem Arbeitsberater die Zeit feht. Beleuchtet werden die Stärken und Schwächen des Kunden. Deutsch- und Mathematikkenntnisse werden geprüft, Gedächtnistraining absolviert.
Bis zu sechs Stunden befinden sich die Klienten in den Händen der Psychologen. "In der Tat fühlen sich viele wie vor einer Prüfung", meint Daberkow. Im Jahr durchlaufen etwa 1 200 Frauen und Männer den psychologischen Dienst der Arbeitsagentur, rund 300 stehen gegenwärtig in der Warteischleife. "Zwei Drittel sind Jugendliche", weiß Stiller. Das Spektrum reicht vom geistig Behinderten, über den Strafgefangenen bis zum Ausländer oder Analphabeten.
"Ich maß' mir nicht an, die Leute sofort auf die Schiene zu bekommen", schätzt Jochen Stiller ein, und auch sein Partner Maik Daberkow (35) gibt zu, dass er "in einem Gespräch nicht 16 verkorkste Jahre aufarbeiten kann". "Wir sind nicht Gott", resümiert der Chef. Dennoch wissen beide Fachleute, dass vielen Menschen über eine psychologische Beratung zum eigen Ich und gehobenen Selbstbewusstsein, zur realistischen Einschätzung des verschütteten Ichs verholfenen werden kann. "Als Psychologen können wir schon gezielt abklären, was zum Beispiel dahinter steckt, wenn ein Mensch sagt: Ich halte das nicht mehr aus!. Wenn er lieber arbeitslos sein will, als weiter zu arbeiten. Nicht selten finden wir heraus, dass er oder sie gemobbt wurden", schildert Jochen Stiller.
Kann man vor einem Psychologen mogeln? Die beiden Experten kommen schnell zu dem Urteil: "Das ist sehr schwierig." Sollte beispielsweise jemand damit prahlen, er habe noch nie gelogen, würden sie schon hellhörig. "Wir tasten uns ran, Peinlichkeiten sind da nicht ausgeschlossen, die in den Gesprächen unter vier Augen da zu Tage treten", schildert Maik Daberkow. Nach den Beratungen, psychologischen Untersuchungen, Berufswahltests und Fallbesprechungen gibt das Team den Vermittlern Empfehlungen. Die wissen, dass es ausschließlich am Geschick der Berater liegt, den Verunsicherten die Ängste vor dem Arbeitsmarkt zu nehmen.
Das Team scheint gute Arbeit zu leisten, denn ihre Klienten sehen sie in der Mehrzahl nicht wieder.