Wo Nähe unverzichtbar ist Wo Nähe unverzichtbar ist: Hebammen im Altkreis Köthen setzen in diesen Tagen auf Videokonferenzen

Köthen/Aken - Johanna Lässing hat eine gute Nachricht für werdende Mütter. „Sie dürfen eine Begleitperson zur Geburt mitbringen“, sagt die Sprecherin der Helios-Klinik in Köthen. „Vorausgesetzt die Begleitperson ist symptomfrei.“
Einige Kliniken lassen in diesen Tagen keine Begleitperson zu. Die Helios-Klinik aber möchte Frauen diese Möglichkeit nicht nehmen. Mit einer weiteren Einschränkung: Die Begleitperson muss nach der Geburt auf dem Zimmer beziehungsweise der Station bleiben. Dann steht auch den ersten gemeinsamen Tagen in der Klinik nichts im Weg. „Nach Verlassen des Krankenhauses ist ein erneuter Besuch nicht möglich“, macht Johanna Lässing deutlich.
Die Corona-Zeit verunsichert viele werdende Mütter. Das merken auch die Hebammen. Für Claudia Leis ändert sich gerade so ziemlich alles. Seit das Corona-Virus um sich greift, kann sie ihrer Arbeit „nicht mehr in dem Maße nachgehen wie früher“. Denn ihre Arbeit braucht Nähe, lebt von der Nähe.
Herkömmliche Geburtsvorbereitungskurse fallen aus, Schwangere können nicht in Praxis kommen
Seit Wochen schon hat die Hebammenpraxis „Hummelnest“ in Aken geschlossen. Es ist die Praxis von Claudia Leis und Sandra Krause. Mutter und Tochter haben sich hier einen Traum erfüllt. Am 1. Juni besteht ihre Praxis mit dem dreidimensionalen Bauchzwergkino zwei Jahre. Einen Grund zum Feiern gibt es gerade nicht. Die Frauen versuchen, ihre Arbeit zu machen - trotz Kontaktsperre.
Herkömmliche Geburtsvorbereitungskurse fallen aus. Die Schwangeren können nicht in die Praxis kommen. Betreut werden sie trotzdem. Wie so oft in diesen Zeiten mit den Möglichkeiten moderner Medien. Die Praxis bietet Online-Kurse zur Geburtsvorbereitung an.
Auf Videokonferenzen setzt auch Nadine Märker in diesen Tagen. „Ich habe eine Gruppe mit fünf Frauen“, sagt die Hebamme aus der Stadt Südliches Anhalt. „Das klappt ganz gut.“ Bei der Rückbildung sieht es da schon anders aus. „Die kann ich im Moment nicht anbieten.“
Auch die Begleitung nach der Geburt sieht anders aus
Mit zehn Frauen lasse sich ein Rückbildungskurs über eine Videokonferenz nicht lösen, merkt Nadine Märker an. Die Frauen hätten vor der Geburt ein paar Übungen gezeigt bekommen. „Ich hoffe, dass wir irgendwann richtig starten können.“ Die Babymassage-Kurse fallen derzeit ebenso aus.
Auch die Begleitung nach der Geburt sieht anders aus, berichtet Claudia Leis. Die Hebammen aus Aken gehen zu den Müttern nach Hause - sofern keine Symptome vorliegen, die auf eine Covid-19-Erkrankung schließen lassen würden. Und diese Hausbesuche gelten ausschließlich Mutter und Kind - nicht der Vater, keine Geschwister, niemand sei dann mit im Raum, der im Übrigen gut belüftet sein sollte. Sie müssten gerade auf so viele neue Details achten und natürlich auch Mundschutz tragen.
Für Claudia Leis bringt das Corona-Virus aber vor allem eine Erkenntnis: „Hebammen arbeiten unter dem Radar.“ Ihre Situation sei vielen nicht bekannt. „Als Hebammen sind wir normalerweise sehr nah dran an den Frauen.“
„Die Frauen sind dankbar, dass wir überhaupt vorbeikommen“
Und jetzt? „Mit Corona ist alles sehr viel unpersönlicher geworden und auch sehr anstrengend“, betont Claudia Leis. Das Gute: Die Mütter seien „sehr verständnisvoll“, alle würden an einem Strang ziehen, um diese Situation zu meistern.
„Die Frauen sind dankbar, dass wir überhaupt vorbeikommen“, hat Nadine Märker festgestellt. Wer Sorgen habe, könne sich jederzeit melden. Auch individuelle Videoanrufe seien möglich.
Sorge bereitet Claudia Leis, dass doch etliche Frauen aus Angst vor dem Virus gerade in Erwägung ziehen, ihr Kind zu Hause auf die Welt zu bringen - allein, ohne Unterstützung einer Hebamme. Das sei gefährlich und deshalb nicht ratsam.
Hilfe könnten Schwangere über eine App erhalten. Eine App, die Claudia Leis und Sandra Krause entwickelt haben. Sie soll den Frauen vor und nach der Geburt eine Möglichkeit bieten, sich zu informieren und vor allem eine Hebamme zu finden, was gerade in größeren Städten eine enorme Herausforderung sei, berichtet Claudia Leis. (mz)
Die App findet sich unter www.leopold-hebammen-deutschland.de.