1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Verdacht: Anstiftung zur Falschaussage: Verdacht der Anstiftung zur Falschaussage: Wollte ein Köthener Polizist einen "Kumpel" nach Anzeige decken?

Verdacht: Anstiftung zur Falschaussage Verdacht der Anstiftung zur Falschaussage: Wollte ein Köthener Polizist einen "Kumpel" nach Anzeige decken?

Von Susann Salzmann 17.08.2020, 09:38
Ein Polizist telefoniert (Symbolbild)
Ein Polizist telefoniert (Symbolbild) imago stock&people

Köthen - Insgesamt sieben Worte wurden dem 38-jährigen Polizisten Marco L. (Namen geändert) zum Verhängnis. Das, was die Dessauer Staatsanwaltschaft dem Polizeiobermeister vorwarf, war mehr als pikant. Denn der Mann, der im Köthener Revier eigentlich Streife fährt und potenziellen Verdächtigen über ihre Rechte und Pflichten informiert, soll ausgerechnet eine Mitarbeiterin des Köthener Ordnungsamtes zu einer Falschaussage motiviert haben.

Stunde für Stunde verging vor dem Amtsgericht der Bachstadt. Vor dem musste Marco. L. zum ersten Mal im Leben auf der Anklagebank Platz nehmen. Weil jene Ordnungsamtsmitarbeiterin von Amts wegen Indizien sammeln musste, die einen gemeinsamen Bekannten des Fahrens ohne Führerscheins bezichtigten, und jene Politesse nicht gegen ihren guten Bekannten vor Gericht aussagen wollte, holte sie sich polizeilichen Beistand. Bei ihrem Bekannten Marco L. erkundigte sie sich, ob die Gefahr bestünde, dass sie im Falle eines Prozesses vor Gericht aussagen müsse und überhaupt als Zeugin in der Anzeige gelistet sei.

Ordnungsamtsmitarbeiterin als auch der Polizeibeamte duzen den Vorbestraften

Der Vorwurf, Tatjana M. vom Ordnungsamt zu einer Falschaussage angestiftet zu haben, wiegt schwer. Erst nach etwa drei Stunden fiel schließlich ein Urteil. Zu verworren und verwoben waren die Begleitumstände, die den Angeklagten letztlich veranlassten, über WhatsApp zu formulieren „und wenn, dann hast du nichts gesehen“. Ein Chatverlauf offenbarte die konkreten Nachrichten, die an jenem 27. November 2018 zwischen Angeklagtem und Zeugin ausgetauscht worden sind.

Inhalt des Gespräches: der gemeinsame Bekannte Martin N., ein mehrfach Vorbestrafter. N. sei regelmäßig mit seinem Van unterwegs, obwohl er lediglich über einen ausländischen Führerschein verfüge, der in Deutschland keine Gültigkeit besitze. „Von unserer Chefin hatten wir den Auftrag zum Beobachten und ihn zu melden, wenn wir ihn beim Fahren sehen“, erklärte die 27-Jährige der Richterin Susanne Vogelsang.

Einen bitteren Nachgeschmack hinterließ bei Staatsanwalt und Richterin, dass sowohl die Ordnungsamtsmitarbeiterin als auch der Polizeibeamte den Vorbestraften duzen. Der nahe liegende Verdacht: Angeklagte und Zeugin vermischten zu sehr Privates mit Beruflichem, so dass es schließlich „zu dieser ungünstigen Verquickung“ gekommen sei, ermahnte die Richterin beide Behördenmitarbeiter zu mehr Distanz zu den Delinquenten, mit dem sie es während ihrer beruflichen Laufbahn zu tun haben.

„Sicherlich will man nicht aussagen gegen jemanden, den man kennt“

Da sich der Beschuldigte in seinem Polizeiumfeld noch einem Disziplinarverfahren muss, könnte sich jede Verurteilung schädigend auf das berufliche Fortkommen auswirken. Was er sich laut Chatprotokoll allerdings nachsagen lassen muss, war, dass er zuerst zu seiner Bekannten Tatjana M. Kontakt aufnahm. In einer Nachricht erkundigte sich der Polizist, ob sie etwas mit der „Anzeige gegen meinen Kumpel zu tun“ habe.

Hinter dem „Kumpel“ verbirgt sich Martin N. - mit seiner Bekannten tauschte sich der Angeklagte über die Zeugenpflicht und auch das Aussageverweigerungsrecht für Zeugen vor Gericht aus. Wollte die Ordnungsamtsmitarbeiterin auf Biegen und Brechen nicht gegen den vorbestraften Führerscheinlosen vor Gericht aussagen? „Sicherlich will man nicht aussagen gegen jemanden, den man kennt“, so Tatjana M.

Aussagen musste die Behördenangestellte nicht. Martin N. wurde trotzdem am 29. April dieses Jahres vom Amtsgericht Köthen wegen Fahrens ohne Führerschein rechtskräftig verurteilt. Er gestand die Taten nämlich vor Gericht ein, so dass Tatjana M.s Aussage hinfällig wurde.

Alles nur freundschaftliche Tipps von dem Polizeiobermeister?

Wenn sie denn vor Gericht gemusst hätte, hätte sie natürlich die Wahrheit zu Ungunsten ihres Bekannten Martin N. ausgesagt. Das zumindest beteuerte die junge Politesse vor Richterin Vogelsang. Auf den „Rat“ des Polizeibeamten, die Aussage zu verweigern oder aber zu beteuern, nichts dazu sagen zu können, hätte sie dabei wohl nicht gehört.

Marco L. konnte das Gericht auch in mehreren Stunden Verhandlung nicht von der Glaubhaftigkeit seiner Version überzeugen. „Ich habe nie Dienstgeheimnisse preisgegeben; das waren alles nur freundschaftliche Tipps“, argumentierte der Polizeiobermeister. Dass auch er selbst persönlichen Kontakt zum vorbestraften Martin N. hatte und umgekehrt, sei durch regelmäßige Fitnessstudio-Besuche zustande gekommen.

Zwei Jahre lang steht der Beamte nun aber unter Bewährung

Ginge es nach der Dessauer Staatsanwaltschaft, wäre der 38-Jährige zu einer Geldstrafe in Höhe von 3.600 Euro verurteilt worden. Der Strafverteidiger von Marco L. plädierte hingegen für einen Freispruch: Immerhin sei nicht eindeutig, wie jene sieben Worte des Angeklagten zu interpretieren sind.

Richterin Susanne Vogelsang wählte beim Strafmaß jedoch die geringste Strafe - eine Verwarnung. Zwei Jahre lang steht der Beamte nun aber unter Bewährung und muss unter anderem 2.500 Euro ans Kinderheim „Arche“ in Köthen zahlen. Zugute kommt dem Beamten, dass er bei Verkehrsdelikten eine „erhöhte Erfolgsquote“ beim Entdecken von Straftaten vorweisen könne, die Tat zudem im Versuchsstadium stecken blieb und die Richterin von einem Einzelfall beim Angeklagten ausging. (mz)