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"Ritterburg" Unterkunft für Familie Ritter in Köthen: Fachausschusses will weitere Investitionen in "Ritterburg" stoppen

Von Matthias Bartl 01.09.2018, 07:00
Der Eingang zur „Ritterburg“
Der Eingang zur „Ritterburg“ Heiko Rebsch

Köthen - Am Ende war die Ablehnung fast einhellig, bis auf zwei Stimmen der Linken - und in Rage geredet hatten sich einige der Ausschussmitglieder noch dazu. Aus durchaus nachvollziehbaren Gründen: Wenn es um das Thema Obdachlose in Köthen oder vielmehr um das Thema „Ritterburg“ geht, platzt schon längst mehr Leuten der Kragen als im Bau-, Sanierungs- und Umweltausschuss des Stadtrates sitzen.

Der hatte am Donnerstagabend darüber zu befinden, ob die notorisch klamme Stadt in den Umbau des Objektes in der Augustenstraße 63 nun noch mehr Geld investieren soll als ursprünglich geplant war. Einst war von satten 163.500 Euro die Rede, mit denen man im Haus zum einen mehr Wohnraum, zum anderen bessere sanitäre Einrichtungen schaffen wollte.

Nun würde das Ganze aus verschiedenen Gründen noch teurer werden: Brutto werden noch einmal mehr als 32.000 Euro extra benötigt. Die Summe fand sich zumindest in der Beschlussvorlage - ehe Baudezernentin Ina Rauer damit herausrückte, dass dazu noch weitere 24.000 Euro Kosten hinzukämen.

Bauleute sind von Mitgliedern der Familie Ritter bedroht worden

Der Ärger hat eine Vorgeschichte. Die Bauarbeiten hatten längst begonnen, mussten aber unterbrochen werden, weil die Bauleute von Mitgliedern der Familie Ritter bedroht wurden und sich letzten Ende weigerten, die Arbeiten fortzusetzen. Inzwischen, so Ina Rauer, habe man die meisten beteiligten Firmen wieder dazu bringen können, die Arbeit erneut aufzunehmen - bis auf das Unternehmen, das den Rohbau erledigen soll.

Genau dieser Umstand bringt der Stadt neue finanzielle Sorgen. Denn der Rohbau sei, so Rauer, „elementarer Baubestandteil“, man habe sich für die Erledigung drei Angebote eingeholt - und dies habe eben eine erneute Erhöhung der Kosten um die erwähnten 24.000 Euro mit sich gebracht.

Wonach es den Stadträten aber reichte. Das Ganze sei ein Fass ohne Boden, grantelte Adolf Tauer (CDU), der vorhersagte, dass das Geld verpuffen würde und der über die weiteren Folgekosten informiert zu werden wünschte. Die, wie OB Bernd Hauschild unterstrich, aus der Betreibung des Objektes resultieren würden.

Bislang hat es die Stadt vermieden, die Augustenstraße 63 als Obdachlosenheim zu definieren

Wo das enden würde, wurde am Donnerstag zwar nicht gesagt, aber einige Umstände des geplanten Umbaus lassen erwarten, dass Köthen ziemlich bluten muss.

Denn gegenüber dem ursprünglichen Vorhaben ist das Ganze jetzt noch um Räume im Erdgeschoss erweitert worden (Kostenpunkt: 32.000 Euro), die der Betreuung der Bewohner dienen sollen - und zwar soll es einen Raum für einen Sozialen Dienst ebenso geben wie für einen Sicherheitsdienst. Wodurch, wie SPD-Frau Renate Schmidt feststellte, das Objekt einen ganz anderen Status erhalten würde.

Bis jetzt nämlich hat die Stadt tunlichst vermieden, die Augustenstraße 63 als Obdachlosenheim (mit den entsprechenden Verpflichtungen) zu definieren - „wenn ich aber einen Sozialen Dienst drin habe und einen Sicherheitsdienst, dann ist es ein Obdachlosenheim“, sagte Schmidt.

Die Stadträtin wollte auch wissen: „Was hat uns der ganze Laden eigentlich bisher gekostet?“ Ab dem Zeitpunkt, zumindest, als die Unterkunft in die Augustenstraße verlegt wurde. Eine Frage, die aus dem Stand nicht beantwortet werden konnte, aber die Zahlen sollen demnächst zur Verfügung gestellt werden.

Die neuen sanitären Anlagen waren eine auf Auflage des Gesundheitsamtes des Landkreises

Was die Augustenstraße tatsächlich ist, machte Ina Rauer deutlich - ein „Zwitterding zwischen Wohnung und Gemeinschaftsunterkunft“. Die laufende Investition der Stadt gehe aber auf Auflagen des Gesundheitsamtes des Landkreises zurück: Die Stadt müsse für ordentliche sanitäre Verhältnisse sorgen und die Reinigung des Hauses sichern.

Angesichts all dieser Kostenblöcke war für viele die Langmut vorbei: „Wir knicken hier vor einer Familie und vor einem Fernsehsender ein“, stellte Ulf Meyer (FDP) kopfschüttelnd fest. Die dürften sich alles erlauben, „jemand, dessen Hund auf die Straße kackt, bekommt mehr Ärger“.

„Das ist keine Obdachlosenunterkunft, sondern ein Objekt für schwer vermittelbare Mieter“

Für Andreas Auerbach (CDU) war klar: „Wir haben kein Geld für den Jugendklub, wir kürzen seit Jahren den Sportvereinen die Mittel. Und hier? Die Leute denken doch, wir haben einen an der Waffel.“ Und Steffen Reisbach (BI/Freie Wähler) erinnerte, dass er schon immer gegen diese Baumaßnahme gewesen sei: „Das ist keine Obdachlosenunterkunft, sondern ein Objekt für schwer vermittelbare Mieter.“

Aber auch wenn der Fachausschuss die Erhöhung der Investitionssumme nicht sanktioniert hat, so stehen dazu auch noch Abstimmungen im Hauptausschuss und Stadtrat an. Wie die Angelegenheit dort ausgeht, ist offen - und das Problem löst sich so nicht. Selbst wenn die Stadt ihre Problemfamilie Nr. 1 aus dem Obdachlosenobjekt rausschmeißen würde - da sich auf Wette 1:1.000 kein Vermieter findet, der sie aufnehmen würde, stünde sie umgehend wieder beim Ordnungsamt der Stadt und würde Obdach begehren. In der Augustenstraße 63, wie man annehmen darf. (mz)