Umfrage bei Mietern in Köthen Umfrage bei Mietern in Köthen: Gericht verbietet abgeschlossene Haustüren

Köthen - Es ist ein Albtraum: Ein Mieter in einem Mehrfamilienhaus wird nachts wach und muss feststellen, dass seine Wohnung brennt. Mit seiner Familie und den Nachbarn rennt der Mann ins Erdgeschoss zur Haustür. Doch die ist abgeschlossen und alle Bewohner haben voller Panik ihre Schlüssel in den Wohnungen liegen gelassen ... Um solche Szenarien zu vermeiden, hat das Landgericht Frankfurt am Main ein Urteil gefällt, das für Mieter in ganz Deutschland interessant ist: Haustüren in Mehrfamilienhäusern dürfen demnach nicht abgeschlossen werden.
Doch viele Mieter legen Wert darauf, die Haustür abends abzuschließen, um sich vor Einbrechern zu schützen. Das zeigt eine MZ-Umfrage in der Köthener Rüsternbreite. Günter Jurtz zum Beispiel hält gern an klaren Regeln fest. „Im Winter wird um 18 Uhr zugeschlossen, im Sommer um 20 Uhr“, erzählt der Köthener. Da seien er und seine Nachbarn sich einig. Die Tür unverschlossen zu lassen, komme gar nicht in Frage. „Man sieht ja kaum noch Polizisten auf Streife, also muss man sich wenigstens durch geschlossene Türen selbst schützen können“, findet Jurtz. Und wenn der Vermieter von ihm verlangen würde, die Tür unverschlossen zu lassen? „Das kann er gern tun - wenn er dann die gestohlenen Sachen ersetzt.“
Im Fall vor dem Landgericht Frankfurt am Main ging es um eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die in der Hausordnung feste Abschließ-Zeiten der Haustür vereinbaren wollte. Einige Gemeinschaftsmitglieder waren damit allerdings nicht einverstanden und klagten. In erster Instanz, beim Amtsgericht Kassel, hatten sie damit keinen Erfolg.
Die Frankfurter Richter entschieden später, dass die Abschließ-Regel aus Brandschutzgründen nicht rechtens ist. Dies gilt allerdings nur für Haustüren, nicht für Wohnungstüren.
Ganz ähnlich sieht Karl-Heinz Kuhnke die Lage. Zwar könne er das Brandschutz-Argument nachvollziehen, sagt der 70-Jährige. „Trotzdem würde ich im Zweifelsfall darauf bestehen, die Haustür abschließen zu dürfen.“ Seine Nachbarn im Haus seien alle derselben Meinung, fügt Kuhnke hinzu.
Dass viele Mieter in Mehrfamilienhäusern die Haustüren abschließen, weiß auch David Rieck. Er ist Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaft Köthen. „Als Vermieter kann man kaum prüfen, ob wirklich alle Haustüren immer unverschlossen bleiben“, gibt er zu. Ab und zu bekomme die Wohnungsgesellschaft Hinweise von Mietern. Diese meldeten, wenn der ein oder andere Nachbar entgegen der Vorschriften abends beharrlich zuschließe. Im Zweifelsfall rede ein Vertreter der Hausverwaltung mit den jeweiligen Bewohnern und überzeuge sie, den Schlüssel nicht mehr umzudrehen. „Letzten Endes ist der Brandschutz für alle Mieter wichtiger, als das Schutzbedürfnis einzelner vor Einbrechern. Das Verständnis dafür ist, glaube ich, bei jedem vorhanden“, meint Rieck. Ob Mietern Strafen drohen könnten, wenn sie wider besseren Wissens Haustüren abschließen, könne er nicht sagen. Einen solchen Fall habe es noch nie gegeben.
Auch Mieterin Jutta Modl schließt lieber ab. „Ich finde dieses Urteil überhaupt nicht gut“, sagt die 70-Jährige. Mit abgeschlossener Tür fühle sie sich nachts wohler. In letzter Zeit habe es in der Nachbarschaft viele Einbrüche gegeben, fügt Modl hinzu. „Aber wenn der Vermieter darauf besteht, dass die Tür unverschlossen bleibt, muss man sich wohl fügen.“
Im Haus von Anneliese Weninger dagegen bleibt die Haustür unverschlossen. Weninger lebt seit 38 Jahren in ihrer Wohnung. Früher habe sie die Tür noch abgesperrt, erinnert sie sich. „Aber jetzt nicht mehr, das ist in Ordnung so.“ Sie lebe in einem ruhigen Haus und fühle sich auch so sicher, fügt die Mieterin hinzu. Die Wohnungstür könne man ja trotzdem absperren.
Bei Ingrid Daberkow im Wohnhaus ist die Tür nachts nur manchmal abgeschlossen. „Manche Mieter sperren die Tür zu, dann kommen später andere nach Hause und lassen sie unverschlossen“, erklärt sie. Daberkow selbst fühlt sich mit abgeschlossener Haustür wohler. „Ich kann aber schon verstehen, dass man an Brandschutz denkt“, sagt sie. „Wenn es sein muss, dann könnte ich auch mit einer unverschlossenen Tür leben.“
Die Köthener Wohnstätten haben sich trotz mehrerer Nachfragen nicht zu diesem Thema geäußert.




