Therapie statt Knast Therapie statt Knast: Köthenerin hat unter Alkohol Polizisten beleidigt
Dessau/Köthen - Vor Gericht folgt Verena M. (Name geändert) einem eisernen Prinzip: Sie redet nicht. Als Angeklagte muss sie das nicht, kann schweigen.
M. ist Köthenerin, Anfang 30 und trinkt sehr viel. Sie wird dann böse, so sagt sie es, wenn Polizisten auf sie zusteuern, weil sie sturzbetrunken ihren Hund so an der Leine zerrt, dass die Beamten sich sorgen, sie könne das Tier strangulieren. Sie überschüttet die Polizisten mit ordinären Schimpfwörtern, tritt nach ihnen.
Oder sie zeigt den Stinkefinger, als im März eine Streife sie und andere auffordert, auch in einem Park wegen der Corona-Pandemie Abstand zu halten. Manchmal bedarf es keiner Polizei, um sie wütend zu machen. Es reicht, wenn sie ein Bekannter vor die Tür setzen will. Dann beschädigt sie deren Zarge durch Tritte.
Gesetzlicher Vormund der Angeklagten lässt sich vor Gericht nicht blicken
M. ist Alkoholikerin, sie ist vorbestraft. Und weil sie eine Frau ist, scheint das weit schwerer zu wiegen als bei einem Mann, über den sich das Gleiche sagen ließe. Für M. wurde ein gesetzlicher Vormund bestellt, der sich - ungewöhnlicher Weise - vor Gericht nicht blicken lässt. Ihre beiden Kinder leben bei einer Pflegefamilie. M. ist das alles fürchterlich peinlich. Sie schweigt deshalb vor Gericht und so kann es schon als Erfolg gelten, dass es Thomas Knief gelingt, sie überhaupt zum Reden zu bringen.
Knief hat mit zwei Schöffen am Landgericht Dessau die Berufung M.s gegen das Urteil vom Köthener Amtsgericht zu verhandeln. Zwei Jahre und Einweisung in den Entzug waren dort verhängt worden. Für M. würde das bedeuten, überhaupt nicht ins Gefängnis zu müssen, sondern direkt in die Entzugsklinik zu kommen. Sie wäre dann zwar nicht in Freiheit, aber eben nicht im Gefängnis.
Ihr Verteidiger hält die Strafe dennoch für unangemessen, zumal bei der Sache mit dem Hund bei M. ein Alkoholpegel von 2,45 Promille gemessen wurde.
Um in den Entzug geschickt zu werden, bedarf es halbwegs realistischer Erfolgsaussichten
Die psychiatrische Gutachterin hielt angesichts dieser Dosis eine Schuldunfähigkeit nicht für ausgeschlossen. Weil im Zweifel für die Angeklagte gelten müsse, könne sie wegen dieser Tat nicht verurteilt werden. Unterm Strich erachtete er eine Bewährungsstrafe für angemessen und eine stationäre Suchtbehandlung.
Bei Richter Thomas Knief konnten M. und ihr Verteidiger auf wenig Entgegenkommen hoffen. Bewährung? Die liege bei einer Bewährungsversagerin nicht nahe. „Das sieht dieses Gericht sehr streng, anders als andere Kammern, wo es Bewährung auf Zuruf gibt.“ Und die Einweisung steht nach Kniefs Ansicht auf tönernen Füßen. Denn um in den Entzug geschickt zu werden, bedarf es halbwegs realistischer Erfolgsaussichten. Knief sieht die bei ihr nicht. Außerdem: „Leute unterzubringen, um das Landeskrankenhaus zu alimentieren, ist nicht im Sinne des Gesetzes.“
Nach Beratung mit ihrem Anwalt zieht M. die Berufung zurück. Das Risiko, ohne Therapie in Haft zu landen, schien ihr zu groß. M. wird also in den Entzug kommen - und Knief wünschte ihr Erfolg. (mz)