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Obdachlosenunterkunft in Köthen geräumt Obdachlosenunterkunft in Köthen geräumt: Aus Privatfernsehen bekannte Familie hat "gemotzt und geschimpft"

Von Matthias Bartl 01.09.2015, 07:09
Szenerie vor dem Haus: Das Polizeiaufgebot sorgte für Ruhe.
Szenerie vor dem Haus: Das Polizeiaufgebot sorgte für Ruhe. Heiko Rebsch Lizenz

Köthen - Geuz ist ein ruhiges Viertel von Köthen. Meist jedenfalls und fast an jedem Ort. Am Montag um 13 Uhr allerdings war es für einige Zeit mit der Ruhe vorbei, zumindest in dem Bereich um die Angerstraße 52 herum. Hintergrund war die Umsetzung einer Räumungsverfügung gegenüber einer in dem städtischen Obdachlosenobjekt seit vielen Jahren untergebrachten Großfamilie, die es in Köthen und dank eines privaten Fernsehsenders auch bundesweit im Spannungsfeld zwischen Kriminalität und Extremismus zu traurigem Ruhm gebracht hatte.

Und die aus „ihrem Haus“ nicht weichen wollte, weshalb die Räumung auch unter massivem Polizeischutz ablaufen musste. „Wir haben die Räumung im Vorfeld mit der Polizei abgestimmt und um Amtshilfe gebeten, weil uns schon klar war, dass dies nicht ohne Ärger abgehen würde“, so Daniel Winzer vom Ordnungsamt der Stadtverwaltung.

Keine Gewalttätigkeiten

Allerdings sorgte die starke Polizeipräsenz, immerhin zehn Beamte waren zur Absicherung der Räumung der vier verbliebenen Personen gekommen, dafür, dass keinerlei Gewalttätigkeiten stattfanden. „Sie haben gemotzt und geschimpft“, so Daniela Winzer, „aber dabei ist es auch geblieben.“

Punkt 13 Uhr hatte Raymund Kuhlert, bei der Stadtverwaltung für Obdachlosenangelegenheiten zuständig, in der Angerstraße 52 geklingelt und den Bewohnern den Vollzug der Räumung angekündigt. Und damit einen Verwaltungsakt faktisch beendet, der vor einigen Monaten auch den Stadtrat und seine Ausschüsse bewegt hatte.

Damals hatte es doch einiger Debatten bedurft, um ein Vorhaben zum Beschluss zu erheben, das von der Stadtverwaltung längst schon so vorgesehen war: die komplette Räumung der Obdachlosenquartiere in der Angerstraße 51 und 52 - und der Umzug der „Mieter“ in das fertiggestellte Objekt in der unteren Augustenstraße 63. Dort reichte der Platz inzwischen nach entsprechenden Arbeiten aus, um alle Obdachlosen unterzubringen, die sich auf dem Terrain der Stadt Köthen aufhalten. Genau das bereitete aber seinerzeit manchem Stadtrat auch Bauchgrimmen, eben weil die Großfamilie, die als letzte und vollständig die Angerstraße 52 bewohnte, so eingeschätzt wurde, dass sie „Rabatz“ machen würde, sollte man ihnen vor den Stuhl vor die Tür setzen.

Die Stadt ist fest geblieben und zog die Option, die jetzt möglich geworden war und die man - so der amtierende OB Alexander Frolow schon im Juni - nicht verstreichen lassen wollte.

Wird Zusammenleben in der Augustenstraße künftig funktionieren?

„Wir haben der Familie natürlich alle Zeit dieser Welt gelassen, eigenständig umzuziehen“, so Frolow am Montag gegenüber der MZ. Es sei ein Anhörungsverfahren eingeleitet worden, was bereits im Juni passierte, „danach wurde eine Ordnungsverfügung erlassen.“ Vom Anhörungsverfahren an habe man einen Monat Zeit, sich zu kümmern, „in diesem Fall“, hebt Daniela Winzer hervor, „haben wir deutlich mehr als einen Monat Luft gelassen.“ Aber irgendwann sei eben auch die längste Frist einmal um.

So kam es, dass das Eigentum der Familie R. am Montag unter polizeilicher Aufsicht auf das Fahrzeug einer Firma verladen wurde, die ansonsten mit Entrümpelungen ihr Geld verdient. Gegen 15 Uhr war nur noch ein Zimmer zu räumen. „Die Möbel werden anschließend in die Augustenstraße gefahren, wenn die Familie das Quartier beziehen will, was wir zur Verfügung stellen würden“, erklärt Daniela Winzer. Die Firma würde das Mobiliar auch noch in die Wohnungseinheiten bringen, „aber die Bilder hängen wir nicht auch noch an.“ Was sich ein bisschen so anhört, als habe man nun auch genug von dem ganzen Vorgang.

Bleibt die Sorge, wie das Zusammenleben in der Augustenstraße künftig funktionieren wird - oder nicht. Ein Grund, warum der Umzug gerade jetzt erfolgte, liegt auch darin, dass jetzt Bewohner aus der Augustenstraße ausgezogen sind, die früher in der Angerstraße lebten und „die schon ihre Konflikte mit der Großfamilie hatten“. Frolow hofft darauf, dass sich die jetzigen Bewohner in der Augustenstraße und die Neuankömmlinge aus der Angerstraße 52 vertragen werden.

Die beiden Häuser in der Angerstraße selbst, die jetzt leerstehen, sollen mittelfristig nicht im Eigentum der Stadt bleiben, so der derzeitige Verwaltungschef. „Wir müssen gucken, wie weit man die Objekte verwerten kann. Ein Verkauf ist wahrscheinlich.“ (mz)

Die Vertreter des Ordnungsamtes der Stadt steuern das Objekt an, das geräumt werden soll. Die Umzugsfirma wartet schon.
Die Vertreter des Ordnungsamtes der Stadt steuern das Objekt an, das geräumt werden soll. Die Umzugsfirma wartet schon.
Heiko Rebsch Lizenz