Viel zu tun im neuen Reich Nachlass von Johann Friedrich Naumann aus dem Köthener Museum soll nun digitalisiert werden

Köthen - Nichts ist mehr wie es war. Die Ordnung ist neu, anders, ungewohnt. Ob sich das Übergangsdomizil jemals so anfühlen wird wie die Museumsräume im Ferdinandsbau des Köthener Schlosses? Kann man hier für gewisse Zeit wenigstens heimisch werden?
Bernhard Just, Mitarbeiter der Köthen Kultur und Marketing GmbH, hofft es. Doch dafür müssen erst einmal die Umzugskisten ausgepackt werden. Noch immer stehen etliche herum - und sorgen für das typische Anfangschaos im neuen Zuhause.
Auf mehreren Hundert Quadratmetern Fläche ist die Sammlung an ihrem neuen Ort exakt so wiederaufgebaut worden wie im Ferdinandsbau
Bernhard Just arbeitet seit 1994 im Naumann-Museum. Seit 2010 leitet er es. Doch nun hat er plötzlich kein Museum mehr. Keinen Ort, um dem Besucher die wertvolle Sammlung Johann Friedrich Naumanns, dem Begründer der Ornithologie in Mitteleuropa, zeigen und nahebringen zu können. Im April sind sämtliche Exponate aus dem Schloss in ein Übergangsdomizil geschafft worden.
Ein Auftrag für absolute Experten. Für versierte Kunstpacker. Eine Kölner Firma übernimmt das. Und Bernhard Just kann dem Spektakel irgendwann relativ gelassen zusehen. Obwohl: Die Sorge, es könnte etwas beschädigt werden, begleitet anfangs jeden einzelnen Handgriff. Als er dann aber gesehen habe, wie die Männer arbeiten, sei er beruhigt gewesen. Zu Recht. Es scheint, dass alles unversehrt von einem zum anderen Ort transportiert worden ist.
Auf mehreren Hundert Quadratmetern Fläche ist die Sammlung an ihrem neuen Ort exakt so wiederaufgebaut worden wie im Ferdinandsbau. Anders, weiß Bernhard Just, gehe das auch gar nicht. Er läuft zwischen den Vitrinen entlang, um zu zeigen, was er meint. Gerade Kanten, präzise Höhen und Breiten sind eher selten zu finden. Aber das wundert den Museumsleiter auch nicht: „Das ist alles Handarbeit“, betont er. Und sehr alt.
Es gibt so vieles von und über Johann Friedrich Naumann, das bisher eher im Verborgenen geblieben sei
Noch nie zuvor hat die über 200 Jahre alte Sammlung die Räume im Schloss verlassen. Deshalb muss das Quartier auf Zeit auch ganz bestimmte Anforderungen erfüllen. „Es muss trocken sein“, beginnt Bernhard Just aufzuzählen, „wir brauchen an den Fenstern UV-Schutz, eine Alarmanlage und eine Brandmeldeanlage.“ Und Platz natürlich.

Es gibt so vieles von und über Johann Friedrich Naumann, das bisher eher im Verborgenen geblieben sei. Der Museumsleiter nennt zum Beispiel rund 8.000 Bilder und mehr als 1.000 Briefe, jeder einzelne mehrere Seiten umfassend. Zu den Schätzen zählen auch die Originalmanuskripte der Naumann-Bücher. Seine Schulhefte aus der zweiten Klasse. Rechnungen der Landwirtschaft - „Naumann war ja Bauer“, schickt Bernhard Just zur Erläuterung hinterher.
„Wir haben jetzt die Chance, einiges aufzuarbeiten, zu sortieren, eventuell zu restaurieren“
Bisher ist vieles von dem in Archivmappen verstaut und auch deshalb schwer zuzuordnen. Auf einer dieser Mappen befindet sich zum Beispiel der Hinweis auf eine Grafiksammlung mit Pflanzenmotiven - „aber welche Pflanzen“, fragt sich Bernhard Just. Ähnlich unpräzise betitelt sind Mappen, in denen sich Skizzen zu Vogelzeichnungen, Jugendbilder oder Schmetterlingsabklatsche befinden. Es gibt Briefe an den Ornithologen. Studiert habe die noch keiner: Wer hat ihm geschrieben? Und warum? Worüber tauschte man sich damals aus? Sogar „Verschiedenes von JFN“ ist hier in einer der Umzugskisten zu finden. Der Museumsleiter freut sich schon, im Detail herauszufinden, was eigentlich Verschiedenes ist. Denn der gesamte Bestand soll digitalisiert werden: „Das ist das Ziel.“
Die Aufgabe dürfte herausfordernd sein - und zeitaufwendig. Immerhin geht es hier nicht allein um die Exponate, die in der Ausstellung gezeigt wurden. Es betrifft auch die gesamte Bibliothek des Vogelkundlers. Um alles zu digitalisieren, muss jedes einzelne Stück Papier in die Hand genommen werden - wohl wissend, dass die Exponate dadurch nicht besser werden. Den Umzug haben sie eingeschlagen in Seidenpapier offenbar gut überstanden. Doch vieles eben befindet sich noch in den Kisten. Bernhard Just geht davon aus, in seinem neuen Reich in einem Vierteljahr etwa wieder „halbwegs arbeitsfähig“ zu sein.
„Wir haben jetzt die Chance, einiges aufzuarbeiten, zu sortieren, eventuell zu restaurieren.“ Er weiß: Passiert das jetzt nicht, dürfte die Zeit später wieder zu knapp bemessen sein. (mz)