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Köthen Köthen: Verträge aus «wilden Zeiten» beschäftigen Justiz

Von UTE HARTLING-LIEBLANG 28.06.2011, 18:02

KÖTHEN/MZ. - In dem Streit stehen sich der Zwangsverwalter, der auf Betreiben der Postbank eingesetzt wurde, und die Stadt Köthen als Beklagte gegenüber. Die Postbank ist Hauptgläubiger der im September 2008 insolvent gegangenen Aufbaugesellschaft für Köthen GmbH.

Im Prozess geht es um einen Streitwert von 60 000 Euro. Man habe bewusst einen Teilbetrag der Gesamtforderung als Streitwert gewählt, um die Kosten des Verfahrens gering zu halten, erläuterte Zander der MZ.

Während die Postbank der Meinung ist, die Stadt muss weiter zahlen, argumentiert man im Köthener Rathaus, dass durch Eintreten des Bürgschaftsfalls alle Verbindlichkeiten abgegolten sind. Dazu erklärt Oberbürgermeister Kurt-Jürgen Zander auf Nachfrage der MZ: "Durch die Insolvenz der Aufbaugesellschaft wurde die Stadt Köthen, die damals für den Kommunalkredit zur Errichtung der Tiefgarage in Höhe von 18 Millionen DM gebürgt hat, bereits in Anspruch genommen." Die zum Zeitpunkt der Insolvenz noch ausstehende Restschuld von 8,2 Millionen Euro sei durch die Stadt beglichen worden.

"Würden wir weiter Miete entrichten, würden wir die Tiefgarage praktisch zweimal bezahlen", sagt Zander. Die Stadt habe deshalb die Mietzahlungen eingestellt. Der Mietvertrag für die Tiefgarage wurde im März 1993 zwischen Max und Klaus Kroppen sowie der Stadt Köthen, vertreten durch den damaligen OB Rainer Elze, für die Dauer von 30 Jahren geschlossen. Nach Lesart der Verwaltung ist es so, dass die Stadt für den Kredit zum Bau der Tiefgarage - der als günstiger Kommunalkredit bei der DG Hyp aufgenommen und später zur Kreissparkasse Köthen umgeschuldet wurde - bürgt. Zins und Tilgung sollten in Form der Miete abgezahlt werden. Zwischen 2015 und 2017 wurde der Stadt ein Ankaufsrecht auf die Tiefgarage in Höhe der dann noch ausstehenden Restschuld eingeräumt.

Der Mietvertrag existiert weiter. Der Kläger fordert nun, dass dieser auch weiter bedient wird. Vor Gericht ist allerdings zunächst die Frage zu klären, ob der Kläger auch die Legitimation zur Vermietung der Garage besitzt. Ist das nicht der Fall, wäre die Klage hinfällig. Doch kompliziert wird die Sache vor allem durch die Vielzahl der seit 1991 in Köthen agierenden Gesellschaften und Gesellschafter der Familie Kroppen.

Um die Zusammenhänge auszuleuchten, hatte Richterin Sabine Walter am Montag die Mitgesellschafterin der insolventen Aufbaugesellschaft, Veronika Kloecker, Tochter des verstorbenen Max Kroppen, als Zeugin geladen. Denn nicht alles ist aus den Vertragsdokumenten noch nachvollziehbar. "Wir haben es hier nicht mit einer aktiven Gesellschaft zu tun", machte der Vertreter des Klägerin, Rechtsanwalt Malte Graf von Westarp, deutlich: "Frau Kloecker ist unser bestes Beweismittel."

Die kaufmännische Angestellte Kloecker war nach eigenen Angaben seit 1994 in die Köthener Geschäfte ihres Vaters Max Kroppen involviert. Warum ihr Vater die einzelnen Gesellschaften gegründet und dann zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder umbenannt haben soll, konnte Kloecker nicht haarklein erklären. Sie sagte vor Gericht, dass stets dieselben Familienangehörigen (ihr Vater und alle fünf Kinder) Gesellschafter der Eigentümergesellschaft, der Bauherrengemeinschaft, der Grundstücksgesellschaft und später der Aufbaugesellschaft waren. Lediglich durch den Tod ihres Bruders Willibert und des Vaters sei die gesetzliche Erbfolge eingetreten. "Unser Vater wollte, dass wir gut abgesichert sind."

Das Geflecht aus Gesellschaften fand auch Richterin Walter sehr verwirrend und bemühte sich durch intensives Nachfragen, Klarheit zu bekommen. So berichtete Kloecker u. a., dass ihr Vater den Zweck der Gesellschaften immer im Namen deutlich gemacht habe. So sei aus der Bauherrengesellschaft "Kleine Wallstraße" (BGB) die Grundstücksgesellschaft (GbR) geworden, als in der Kleinen Wallstraße nicht mehr gebaut wurde. 2002 sei die Grundstücksgesellschaft liquidiert worden, nachdem sie die Gebäude an die Aufbaugesellschaft für Köthen GmbH verkauft hatte, die bis dahin nur Verwalter gewesen sei.

Es wird also für Richterin Sabine Walter bis zum Verkündungstermin am 25. Juli, an dem das Gericht entscheidet, ob weiterverhandelt werden muss, keine leichte Aufgabe sein, das Puzzle zusammenzufügen. Der Vertreter der Stadt Köthen, der hallesche Rechtsanwalt Guido Kutscher, umriss die Situation aus seiner Sicht wie folgt: "Die 90er Jahre waren wilde Zeiten, da kam Max Kroppen in die neuen Länder und brachte Erfahrungen mit, über die hier keiner verfügte." Daher sei es heute so kompliziert, eine Verbindung zwischen den einzelnen Verträgen herzustellen.

Der Erbauer der Tiefgarage, Max Kroppen, so wurde vor Gericht noch einmal deutlich, ging beim Bau der Tiefgarage in der Wallstraße keinerlei Risiko ein, weil die Stadt für das ihm gewährte Darlehen bürgte. Die Stadt habe die Mietsache - also die Tiefgarage - selbst geschaffen. Daraus sollte heute niemand einen wirtschaftlichen Vorteil ziehen, der mit dem Bau der Tiefgarage nichts zu tun hat, meint Rechtsanwalt Kutscher.