Köthen Köthen: Musikalisch über den großen Teich
KÖTHEN/MZ. - Aufgeregt ist Manfred Apitz schon lange nicht mehr. Sagt er jedenfalls. "Aber gespannt bin ich immer." Eine Ergänzung, die man, wenige Minuten vor Beginn des herbstlichen "Nocturnes" wohl ohne weiteres auf den gut gefüllten Saal im Veranstaltungszentrum übertragen kann - die sich dort eingefunden haben, studieren gerade das Programm, das in Kopie auf den Tischen ausliegt. Und wissen dann, dass das "Nocturne" diesmal in erster Linie jazzig, amerikanisch daherkommen wird. Da ist man extra gespannt, wie Apitz, die Solisten, das Köthener Schloßconsortium und der Bachchor den musikalischen Sprung über den großen Teich wohl schaffen werden.
Gut, darf man sagen, selbst als Laie. Das Schifflein ist nicht gekentert, sondern hat sauer im Hafen von New York angelegt - ein Bild, dass man mal eben mit "Somewhere" aus der West Side Story von Leonard Bernstein verknüpfen kann. Das Lied war der erste große Höhepunkt des Abends und zu danken war das in erster Linie dem exzellenten, von Martina Apitz dirigierten Bachchor. Der zeigte sich an diesem Abend auch bei anderer Gelegenheit in Hochform ("Time to say Goodbye"), das soll ruhig mal besonders herausgestellt werden, nachdem die chorische Leistung jüngst bei der Aufführung von Haydns "Jahreszeiten" so gänzlich ohne öffentliche Würdigung geblieben war.
Manfred Apitz hat es mit dem herbstlichen "Nocturne" wieder geschafft, die Gemütlichkeit der kleinen Säle in den großen Johann-Sebastian-Bach-Saal zu holen. Dazu trugen auch die beiden Sängerinnen Evelyn Schröter und Manuela Michel bei. Bei "Turn me on", gesungen von Michel, konnte man sich bei geschlossenen Augen direkt in einem Flatboat auf dem Mississippi wähnen, im ersten Teil des Titels klang Manuela Michels Stimme regelrecht "schwarz". Schwärzer jedenfalls als die Stimmen von Karolin Rumakito und Olivia Waisimon, die ebenfalls solistische Einlagen boten und für ihre amerikanischen Volkslieder "Amazing Grace" und "Down by the Riverside" viel Beifall erhielten.
Nach der Pause erlaubte sich Manfred Apitz, der im ersten Teil des Abends wie gewohnt quirlig über die Bühne gewirbelt war, eine kleine "Nocturne"-Erleichterung und verzichtete aufs Jackett. Das war vermutlich eh schon durchgeschwitzt und wenn nicht, wäre das sicherlich in den folgenden Minuten passiert, denn Apitz bekam im zweiten Teil noch mehr zu tun als im ersten - er sang jetzt auch noch. Und zwar einen Liederzyklus namens "Trost auf dieser Welt", in dem der 50-Jährige davon singt "Wir gehen auf die 60 zu" und diesen Umstand in durchaus sarkastischer und spöttischer Form reflektiert.
Dieser kleine Einschub war im übrigen nicht der einzige, bei dem Amerika ein wenig außen vor blieb. Bei "Die Gedanken sind frei" sang zumindest der halbe Saal inbrünstig mit - der Text war dankenswerterweise auf dem Programmzettel abgedruckt -, und "Greensleeves" sowie "Auld lang syne" sind zumindest im englischsprachigen Raum zwei absolute Lied-Klassiker, über deren Anwesenheit beim "Nocturne" man sich freuen konnte, wenngleich gerade "Greensleeves" sich im leichten Pop-Takt etwas gewöhnungsbedürftig anhört.
Der Schluss des Abends, wenn man mal Bocellis Rausschmeißer "Time to say Goodbye" ausklammert, fiel dann rockiger aus. Bernd Vilbrandt und Manfred Apitz gaben dabei Bob Dylan die Ehre und steigerten sich vom getragenen "Blowing in the Wind" bis zum E-Gitarren-verzerrten "Knockin' on Heavens Door". Dass man nicht ohne Zugabe davonkam, war klar - und auch, dass die Besucher sich nach dem jüngsten "Nocturne" schon aufs nächste freuten.