Köthen Köthen: Licht des Diskozeltes erlischt

KÖTHEN/MZ. - "Irgendwann ist die Legende LMC vorbei. Und das ist dieses Wochenende", sah Alexandra Günther am Sonntagmorgen ein. Mit ihrer Freundin Nancy Eberius genoss die Wulfenerin die letzten Stunden in der Disko am Elsdorfer Weg. "Das war früher eine verdammt geile Zeit", blickte Alexandra Günther zurück. In den 90er Jahren war sie das erste Mal in der Disko. "Damals war im großen Zelt Gruftizeit. Ich war kein Grufti, aber ich habe mich trotzdem schwarz angezogen und schwarz geschminkt." Einfach, um dazu zu gehören.
Zehn Jahre hat Alexandra Günther im Zelt gearbeitet. Die Kunde vom Ende des LMC war für die Wulfenerin mehr als nur Gerede. Sie ahnte, dass aus dem anfänglichen Gerücht Gewissheit werden würde. Und tatsächlich. Im Dezember "bäumte" sich das Zelt ein vorerst letztes Mal für eine Party auf. Was folgte, war Stille. Totenstille.
Im Winter nahm das Unheil seinen Lauf. Wasser strömte in die Disko und umliegende Bürogebäude. Schnee sammelte sich auf der Zeltplane. Jeden Tag war Matthias Schulze vor Ort, um nach dem Rechten zu sehen. Er kehrte die weiße Last vom Dach, beseitigte Schäden. Und sorgte nicht zuletzt dafür, dass Einbrecher gestellt werden konnten.
"Wir haben nie daran gezweifelt, dass wir das Ding noch einmal aufmachen", machte der Köthener deutlich. "Er hat immer daran geglaubt, dass wir noch eine Abschlussveranstaltung machen", fügte Clayde Pasternak hinzu. Nach einer Begehung des Objektes hatte der DJ vor einigen Monaten mit Matthias Schulze und Hans-Bernhard Pikkemaat, Geschäftsführer der Live Music Circus GmbH, zusammen gesessen. Dass die Ära des Zelts nicht sang- und klanglos enden darf, war allen bewusst. Mit Chris Penkuhn holte sich das Trio einen erfahrenen Veranstalter ins Boot. "Wir wollen uns würdig verabschieden", machte der DJ am Freitagnachmittag deutlich. Kosten und Mühen wurden nicht gescheut, um das Zelt noch einmal herzurichten. Mit einem Kärcher wurde Stein für Stein gesäubert. Wasser und Schlamm hatten Spuren hinterlassen. Viele eifrige Helfer waren am Werk.
Mit zwei Partys, die "in die Geschichtsbücher eingehen" sollen, wollten sich die Veranstalter bei den LMC-Jüngern bedanken. Das hatten sie im sozialen Netzwerk Facebook angekündet. Moderne Licht- und Tontechnik wurde besorgt, eine LED-Wand installiert. Eine musikalische Zeitreise durch die vergangenen 20 Jahre sollte es werden. Und genau das war es auch. Bis in die Samstagmorgenstunden tanzten Besucher im großen Zelt nach Musik der 80er und 90er Jahre, Black Beat und House. Da das kleine Zelt nicht geöffnet werden konnte, war der Außenbereich für Indie-Rock-Anhänger gedacht. Die Witterung hatte dem Nebenchapiteau so sehr zugesetzt, dass nichts mehr zu machen war. Die zweite Partynacht gehörte Techno- und Trancefans. Im großen Zelt legten die langjährigen Zelt-DJs Chris, Clayde und Ives auf. Am Sonntagnachmittag war die Musik noch immer nicht verstimmt.
Wilde Diskussionen bei Facebook, wonach die Veranstalter noch einmal kräftig abkassieren wollten, sorgen bei Chris Penkuhn für Unverständnis. "Das Geld steht überhaupt nicht im Vordergrund", machte der DJ deutlich. Natürlich würden Mittel benötigt, um den mehrwöchigen Abbau zu finanzieren. Auch, um die Insolvenzmasse zu tilgen. Das die Besucher des Zelts abgezockt werden sollen, bei solchen Behauptungen kann Chris Penkuhn nur den Kopf schütteln.
Anregungen, die Disko auf einem anderen Platz in Köthen wieder aufzubauen und so dem Herbst- und Winterhochwasser aus der Baggerkiete zu entgehen, sind nur Wunschvorstellungen. "Man kann das Ding nicht einfach auf eine Wiese stellen. Das funktioniert so nicht", weiß Chris Penkuhn. Schon allein wegen der Lärmschutzvorschriften.
Gerüchte, wonach es mit dem LMC weitergeht, reißen jedoch nicht ab. Flyer, die eine Wiederbelebung verkünden, sind aufgetaucht. Offiziell war am Wochenende aber Schluss. Endgültig. Diese Woche soll der Abbau beginnen. "Ich will die letzten Stunden noch miterleben", merkte Andi Gürtler am Sonntagmorgen an. Inventar zu kaufen, kommt für den 24-Jährigen aus Burg nicht in Frage. "Erinnerungen kann man mit materiellen Dingen nicht wiedergeben", begründet der 24-Jährige.
Rund 1 700 Leute waren zur ersten Abschiedsparty ins Zelt geströmt. Am darauf folgenden Tag waren es deutlich mehr. Dicht bei dicht standen die Besucher. Wenige Stunden nach Einlass hatte sich die Disko in eine Tropfsteinhöhle verwandelt. Kondenswasser prasselte auf die Köpfe der Besucher. Wie schon zu Höchstzeiten der 20-jährigen Ära. So gesehen ein feuchter, aber würdiger Abschied.
Matthias Müller und Florian Thiele wollten es am Sonntagmorgen noch gar nicht richtig wahrhaben, dass das Licht in der Disko ein- für allemal erlischt. "In Sachsen-Anhalt gibt es wenige Leute, die noch nie im Zelt waren", vermutete Florian Thiele. Mit seinen Kumpels war der Langenweddinger früher jedes Wochenende im Zelt. "Traurig. Die letzte Ehre. Das ist wie bei einer Beerdigung", merkte Matthias Müller an.
Wer einen Teil des Inventars erwerben möchte, kann sich unter 05921 / 7 81 78 10 melden.