Karin Ritter stirbt mit 66 Karin Ritter stirbt mit 66: Stationen eines traurigen, gescheiterten Lebens in Köthen
Köthen - Erst war es nur ein Gerücht, dann gab es am Montagmorgen Gewissheit: Karin Ritter, das Oberhaupt der durch das Fernsehen berühmt gewordenen Ritter-Familie aus Köthen, ist mit 66 Jahren gestorben. Zeitpunkt und Umstände ihres Todes hatten am Wochenende für viele Spekulationen gesorgt.
In den Diskussionen in sozialen Netzwerken finden sich viele Beleidsbekundungen, aber auch jene Kommentare, die an das erinnern, womit die Familie immer wieder in die Schlagzeilen geriet: aggressives Verhalten, Alkoholmissbrauch, Fremdenfeindlichkeit, Straftaten, aber auch Armut und Ausweglosigkeit. Seit über 25 Jahren hatte die Familie ein Team von Stern-TV begleitet – und damit auch einen „Kreislauf aus Verwahrlosung, Alkoholsucht, Fremdenhass und krimineller Karriere“, wie der Sender einmal beschrieb.
Die MZ fasst fünf Stationen aus der Geschichte der Ritter-Familie zusammen.
1. Seit 1994 berichtet RTL über die Familie Ritter
Bekannt wurden Ritters ab dem Jahr 1994 durch Stern TV. Die Familie wohnte seit den 90er Jahren in der Köthener Obdachlosenunterkunft in der Angerstraße. Zwischenzeitlich waren bis zu 17 Familienmitglieder dort untergebracht. Immer wieder musste dort die Polizei anrücken – wegen Haus- und Familienstreitigkeiten, Ruhestörungen, Sachbeschädigungen, Körperverletzungen, Beleidigungen.
Karin Ritter hat insgesamt sechs Kinder und ist vorbestraft wegen Volksverhetzung. In einer TV-Folge zeigten schon die Kinder den Hitlergruß im Fernsehen, ihre Schlange nannte die Familie einst „Hitler“. Die Söhne wollten von Beruf Skinhead werden, vier von ihnen zertrümmerten im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren mit einer Axt die Tür der Nachbarin, Mutter Karin Ritter bezeichnete Ausländer als „Viecher“. Das hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Alle ihre Söhne sind bisher straffällig geworden, waren im Gefängnis, sind drogen- oder alkoholabhängig.
2. Karin Ritter zieht mit der Familie in eine andere Köther Obdachlosenunterkunft
2015 zieht die Familie in eine Köthener Obdachlosenunterkunft in der Augustenstraße. Immer wieder kritisiert Karin Ritter die Zustände in der Unterkunft, verlangt unter anderem den Einbau von Duschen. 2017 fordert sie, inzwischen 63 Jahre alt, eine neue Wohnung. Sie habe keine Mietschulden. „Warum kriege ich keine Wohnung?“
Gezeigt werden in einem Beitrag auch Bilder alkoholkranker und aggressiver Ritter-Söhne, die auf Nachfrage bekunden, in ihrem Leben sei „alles schief gegangen". Einer der Brüder droht Stadtmitarbeitern vor laufender Kamera Prügel an, weil der Einbau der Duschen im Erdgeschoss nicht schnell genug gehe. 2018 verhängt die Stadt einen Baustopp, weil Bauarbeiter bedroht worden waren.
3. Zwischen Karin Ritter und ihren Söhne werden die Spannungen größer
2018 zerbricht die Familie immer mehr. Vor laufender Kamera erzählt Karin Ritter im Sommer von den Aggressionen ihrer Söhne. Innerhalb von zwei Monaten hatte es über 30 Polizeieinsätze bei Familie Ritter gegeben. „Ich kann nicht mehr zählen, wie oft die Polizei kommt“, beklagt Karin Ritter, regelmäßig würden ihre Söhne sie und ihre Enkelin Jasmin schlagen und bedrohen.
„Wir dürfen nicht raus, nicht zur Toilette“. Fensterscheiben und Handys seien zerstört worden. „Das ist traurig, ich hasse meine Jungs, ich verfluche sie“, zieht Karin Ritter einen traurigen Schlussstrich. Die Jungs seien nicht mehr ihre Kinder. „Ich verstehe selber nicht, wie meine Kinder so geworden sind“, meint die Mutter, sie vermutet einen „verkehrten Umgang“ und vor allem „verkehrte Frauen“ als Ursache.
Im Herbst ziehen die Ritters aus der Obdachlosenunterkunft in der Augustenstraße aus, das Haus soll ohne Störungen umgebaut und modernisiert werden. 27 Bereitschaftspolizisten sichern den Umzug ab. Denn freiwillig wollen die meisten Ritters nicht umziehen.
Norman Ritter will Polizisten „eins in die Fresse hau'n", der „Lügenpresse" die Kamera wegnehmen. Er ist betrunken. Doch es wird nicht lange gefackelt: Die Köthener Obdachlosenunterkunft, im Volksmund „Ritter-Burg" genannt, wird geräumt und alles für den Umzug in die Zwischenunterkunft in der Adolf-Kolping-Straße vorbereitet.
4. Bei einem Einbruch in den Köthener Tierpark stehlen die Ritters Tiere
Im Winter 2019 wird im Köthener Tierpark eingebrochen. Christopher Ritter soll zusammen mit Komplizen in zwei Anläufen mehrere Gehege aufgebrochen und Tiere gestohlen haben, darunter Meerschweinchen, Krallenaffen und Papageien.
„Die sollen 'se wegsperren, alle beide“, sagt Karin Ritter in die Kamera. Die gestohlenen Tiere seien in ihrer Wohnung in der Obdachlosenunterkunft abgesetzt worden. „Ich habe gesagt, die bleiben hier drinne nicht. Drecksviecher."
5. Karin Ritter ist keine Obdachlose mehr
Im Frühjahr 2020 zieht Familie Ritter in die modernisierte Obdachlosenunterkunft in der Augustenstraße zurück. Allerdings unter ganz anderen Bedingungen als vorher: Die Unterkunft soll nur noch von 18 bis 8 Uhr genutzt werden, tagsüber haben die Ritters also keine Unterkunft. Es handelt sich dabei um eine „Lex Ritter“, eine Regelung, die die Obdachlosen der Stadt der Familie Ritter zu verdanken haben. Sie soll weitere Sachbeschädigungen und Auseinandersetzungen in der Unterkunft verhindern.
Seitdem sitzt vor allem Karin Ritter tagsüber stundenlang in der Bäckerei Schäfer oder im Café Venezia in der Innenstadt Köthens. Im Stadtrat wird der Fall Karin Ritter diskutiert – sie solle eine Wohnung bekommen, auch die Aufnahme in ein Pflegeheim wird diskutiert.
Für Karin Ritter wird schließlich eine weitere eigene Regelung geschaffen, sie wohnt seit Herbst per Mietvertrag in der Wohnung in der städtischen Unterkunft in der Augustenstraße, damit ist die keine Obdachlose mehr. Sie bekommt soziale Unterstützung durch einen Verein.
In der Augustenstraße lebte Karin Ritter bis zuletzt in den eigens für sie vorgehaltenen Räumlichkeiten. Gegen zwei von ihren Söhnen laufen zur Zeit noch Verfahren am Dessauer Landgericht, unter anderem wegen des Einbruchs in den Tierpark. Und auch Karin Ritter selbst hätte sich dort bald verantworten müssen.
Am 17. Februar hätte am Landgericht in Dessau ein Berufungsverfahren starten sollen. Das Amtsgericht hatte sie wegen Beleidigung, Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 210 Tagessätzen verurteilt, die Staatsanwaltschaft war in Berufung gegangen.
Es ist ein Fall, der stellvertretend für die Familie steht: Ihr Sohn soll einen Pflasterstein in ihr Wohnzimmer geworfen haben, der die Glasscheibe eines an der Wand hängenden Bildes zerstörte. Als Reaktion darauf soll Karin Ritter, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, die Scherben zurückgeworfen und ihren Sohn am Hals und an der Hand verletzt haben. Der Prozess wird nicht mehr stattfinden. (lga/mz)