Initiative in Köthen Initiative in Köthen: Ein Positivbeispiel für Willkommenskultur

köthen - Neun Monate gibt es inzwischen die Initiative „Willkommen in Köthen“, die sich um Menschen bemüht, die vor Krieg, Umweltzerstörung und wirtschaftlichen Katastrophen bis nach Köthen flüchteten. Etwa einhundert Engagierte sind aktuell bei der Initiative gelistet, die am Samstagnachmittag die Türen für all diejenigen öffnete, die sich aus erster Hand über das hoch kontrovers diskutierte Thema Flüchtlinge informieren wollten.
Bereits um 14 Uhr waren die bescheidenen Räumlichkeiten in der Schalaunischen Straße 33 rappelvoll. „New Villa“ nennen die Betreiber das Domizil in Anlehnung an das „Geburtshaus“ der Initiative, die „Villa Creutz“ in der Friedrich-Ebert-Straße.
Neben anderen Engagierten begrüßte Petra Fritsche, die mit Rita Exner und Diana Pelzer als Koordinatorin die Initiative unterstützt, die zahlreichen, bunt gemischten Gäste. Sprachkurse, Schülerbetreuung, Kleiderkammer, gemeinsames Kochen und Alltagsunterstützung sind das Aufgabenspektrum, das man sich gesetzt hat. „In den letzten Wochen ist der Sprachunterricht etwas zurückgetreten hinter Aktivitäten, die Menschen bei uns zu integrieren“, erklärt Petra Fritsche und kann ergänzen: „Inzwischen gibt es genug Anbieter, die sich um die sprachliche Bildung unserer Gäste kümmern.“
Polizei unterstützt beim Einleben
Auch die Polizei ist mit von der Partie – weniger als Aufpasser, mehr als Gast und nicht zuletzt als aktiver Helfer. Die Polizeihauptmeister Torsten Stasche und Guido Melzer sind sich einig: „Man kann die üblen Nachrichten, die oft in sozialen Netzwerken verbreitet werden, in keinem Fall auf Köthen übertragen“, so Stasche.
Und auch sein Kollege ergänzt: „Wir haben persönlich nur gute Erfahrungen gemacht.“ Nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil die Flüchtlinge sich mit polizeilicher Hilfe mit dem deutschen Verkehrsrecht vertraut machen. So habe man eine Woche zuvor erst die Möglichkeit zum Erwerb eines Fahrradpasses geboten, die rege genutzt wurde.
Und die beiden haben auch einen Tipp für all diejenigen, die noch immer skeptisch, angstbeladen oder gar feindlich den Hilfesuchenden gegenüberstehen: „Kontakt kommt nicht aus dem Internet oder dem Fernseher. Sprecht die Leute direkt an, geht auf sie zu! Nur in persönlichem Kontakt kann man eigene Erfahrungen sammeln und sich ein eigenes Bild machen.“
Flüchtlinge helfen wo sie können
Dass bereits Freundschaften entstanden sind, konnte man an diesem Tag oft beobachten. Da kommt die kleine Alaa mit ihren sieben Jahren zu ihrer „großen“ Freundin Petra und lässt sich helfen beim Lolliballauswickeln. Jemand stellt eine exotische Spezialität auf den Tisch, die flugs unter anerkennendem Gemurmel verputzt wird. Da ist die ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Renate Schmidt, die einmal pro Woche die Kleiderkammer betreut und sich noch immer freut über Wintersachen, Herrenkleidung und Schuhe. „Nur für Möbel haben wir keinen Platz, man kann sich aber trotzdem auch damit bei uns melden.“
Da ist Deutschlehrer ehrenhalber Andreas Bergemann, der Eriträern, Syrern und Afghanen beiderlei Geschlechts unsere Sprache nahebringt. „Deutsch kann ich noch ein bisschen“, schmunzelt der Regisseur a.D. „Ein bisschen Englisch kann ich auch. Und über diese Brücke können wir uns verständigen.“ Beinahe sprachlos macht, dass die Flüchtlinge zum Teil von Baasdorf bis nach Köthen laufen; bei Wind und Wetter, Tag für Tag, hoch motiviert. Da ist Susann Backoff, die die Kleiderkammer leitet und die ihre syrischen Helfer lobt: „Sie sehen die Arbeit. Sie tragen, packen aus, sortieren, machen sauber, helfen an allen Ecken. Ich musste mein Bild über muslimische Männer total umstellen.“
Köthen als Positivbeispiel
Familie Erdmenger hilft, durch Mitgestalten der Räume auch unsere Lebensart zu vermitteln: „Ob über Kontakte mit der Hochschule, der Fruchtbringenden Gesellschaft, zu Steffen Fischer, Axel Jirsch oder der Musikschule – unsere Kultur kann man auf vielen Wegen entdecken.“
Sicher ist Köthen bislang eher eines der gelungeneren Beispiele für den Umgang mit Fremden. Wenn es bei diesem persönliche Miteinander bleibt und man sich wie bisher auch künftig täglich in die Augen schaut, dann stehen die Chancen gut, dass das auch so bleibt. (mz)
